Die Gewandschneiderin (German Edition)
herum?”, tadelte die Köchin. Ihr Blick fiel auf den Hund. “Das ist doch … hast du da einen der Jagdhunde?”, fragte sie.
Anna nickte. “Er hat Hunger” , entschuldigte sie sich.
Alimah stand am Treppenfuß, den Kopf in den Nacken gelegt, und musterte die frühen Bittsteller. “Komm herunter, aber der Hund läuft mir nicht auf meinem Kücheboden herum, verstanden?”
Die Köchin wandte sich um und murmelte vor sich hin. “Das hat er bisher erst ein einziges Mal ge tan. Ich frage mich, ob …”
Anna war die Treppe hinuntergestiegen und trat hinter die Köchin. “Was fragst du dich?”
Alimah zuckte zusammen. “Nichts - das war nicht für deine Ohren bestimmt. Setz dich!” Sie wies auf den Stuhl dicht am Feuer. Anna schüttelte den Kopf und nahm auf ihrem Lieblingsschemel Platz. Alimah hob die dichten Brauen.
“Er hat Angst vor Feuer” , murmelte Anna entschuldigend und wies auf den Hund.
Alimah lachte, dunkel und dröhnend. “Wohl nicht mehr als manch anderer, scheint mir .“ Sie wurde wieder ernst, nahm Annas freie Hand und drückte sie. „Übrigens, das mit deinem Meister tut mir leid.”
“Mir auch” , sagte Anna. “Er war schon alt, aber ich vermisse ihn trotzdem.”
Die Köchin nickte und krempelte die Ärmel ihres Kittels hoch. “Dann wollen wir euch frühen Vögeln etwas Anständiges zu essen zubereiten.”
Im Gegensatz zu anderen Tagen war es in der Küche ruhig zugegangen. Alimah hatte alles aufgetragen, die herausgeputzten Mägde hatten ihr Morgenmahl erstaunlich schnell hinuntergeschlungen und waren dann gackernd verschwunden, ohne den Abwasch zu erledigen. Die Knechte hatten ihre Körbe abgeholt, und noch bevor Anna sich versah, war es wieder still in dem großen Raum.
Die Köchin kam mit einer Schale und Brot an den Tisch und setzte sich. In der Schale schwammen Fleischstücke in Öl.
“Jetzt hast du also endlich einen Ehemann gefunden, und dann stirbt er gleich wieder. Wie ärgerlich”, sagte Alimah. Sie brach das duftende Brot in Stücke, tauchte einen Brocken in die Schale und steckte ihn genießerisch in den Mund.
“Das macht mir nichts. Ich … ich will sowieso keinen Mann.”
“Was?” Alimah warf beide Hände in die Luft und stie ß die Schale um. Eine grüne Lache ergoss sich auf den Tisch, in der zwei Fleischstücke schwammen. Mit etwas Brot tunkte die Köchin das Öl auf und schob sich das Fleisch zwischen die Zähne. “Bist du noch bei Sinnen? Jede Frau braucht einen Mann.” Sie sprach und kaute gleichzeitig.
“Ich nicht.” Obwohl … im Grunde hatte die Köchin recht, keine Frau sollte wie eine Nonne leben – außer einer Nonne. “Ich habe es meinem Gott gelobt”, erklärte sie trotzig.
“Deinem Gott? Was ist das für ein Gott , der ein solches Gelöbnis annimmt?” Sie fegte die Krümel vom Rock. “Weißt du, wie mein Gott das sieht? Mann und Frau sind füreinander bestimmt, und die Frau bekommt Kinder – inschallah! –, viele Kinder. Und je wichtiger der Mann ist, umso mehr Kinder zeugt er, um Allahs Ruhm zu mehren. Bei uns haben reiche Männer viele Weiber, die ärmeren nur eine Frau. Das ist sinnvoll.” Sie fischte ein Fleischstück aus der Schüssel, legte es auf ein Stück Brot und hielt es Anna hin. Sie war satt, aber Alimah sah sie so erwartungsvoll an, dass Anna kostete. Ein durch und durch fremder Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus. Würzig und süß zugleich. Dazu das warme Brot, köstlich “Was ist denn das?”, fragte sie, als sie hinuntergeschluckt hatte.
“Rind mit Kräutern aus meiner Heimat, mit dem Öl von Oliven. Gut, nicht wahr? Wir müssen sparsam damit umgehen, hier bekommt man die Kräuter nicht.” Ungeachtet ihrer Worte schob sie Anna einen weiteren Happen zu.
“Alimah, das mit den vielen Frauen für einen Mann, das war doch geflunkert, oder?” , fragte Anna.
“Was heiß t geflunkert?”, fragte Alimah.
“Nicht wahr … also, es stimmt nicht”, sagte Anna.
Die Köchin lachte. “O doch, es stimmt. Frag Karim, er hat zwei Frauen, und eine dritte nimmt er sich, wenn wir zurück sind.”
Anna legte das Brot beiseite und schob die Krümel zusammen. “Wie kann der Kaiser das zulassen?”
“Zulassen? Er wei ß, was sich gehört. Er hat selbst mehrere Frauen.” Anna stand der Mund offen, doch die Köchin achtete nicht auf sie, sondern erzählte munter weiter. “Allerdings heiratet er nicht alle – oder nur nacheinander. In den Ländern, die an seinen Gott glauben, gibt es so etwas wie einen
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