Die Gewandschneiderin (German Edition)
vor.
“So haltet doch endlich ein , Schönste, wie soll ich mich erklären, wenn Ihr so hetzt?”, japste Neidhart, der ihr immer noch folgte wie ein Schatten. “Im Allgemeinen sind es die anderen, die mir hinterhereilen, um meinen Liedern zu lauschen.”
Die Wachen standen nicht vor der Tür des Kaisers. Selbst wenn er in seinen Gemächern weilte, wen sollte sie um Einlass bitten? Sie musste nachdenken und hielt inne. Standen nicht die Leibwächter zuverlässig immer genau vor jener Tür, hinter der er sich gerade aufhielt? Selbst vor der Küche hatten sie gewartet, als er die Köchin besucht hatte. Aber auf diesem Flur war außer den beiden Wächtern am Eingang zu den Frauengemächern niemand zu sehen. Vermutlich war auch Friedrich nicht im Haus.
Neidhart hatte auf geholt und versuchte es erneut. “Ich bitte Euch, lasst ein Pflänzchen Hoffnung in mir grünen, als sei es Mai, nennt mir Euren Namen!”
Anna kam ein Gedanke. Sie war mit Alimah hier gewesen, vielleicht lie ßen die beiden sie passieren? So selbstverständlich wie möglich trat sie auf die Wächter zu und schritt zwischen ihnen hindurch. Aus den Augenwinkeln, bemerkte sie, wie die beiden sich anstarrten und dann die Schultern hoben.
Neid hart hatte nicht so viel Glück.
“Holde!” , schrie er. Sie wandte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie einer der Hünen ihren Verehrer unter wüsten Beschimpfungen am Kragen packte und über den glatten Steinboden schleuderte.
“Euer Name?”
“Nein!” Anna blieb standhaft. Gott würde sie bei keiner Nachlässigkeit mehr ertappen.
Sie öffnete die Tür, hinter der bei ihrem ersten Besuch die drei Frauen gesessen hatten. Der Raum war leer. Seufzend wandte Anna sich ab. Die Tür zu r Badekammer war unverschlossen, doch Anna fand auch hier keine Menschenseele, die sie fragen konnte.
Mit hängende n Schultern trat sie zwischen den Wachen hindurch auf den Flur. Etwas Gutes hatte dieser Abstecher in den Frauenflur allerdings gehabt: Von Neidhart war nichts mehr zu sehen.
Erschöpft gelangte Anna an die Treppe, die zur Küche hinunterführte. Wenn er dort nicht war, wusste sie nicht, wo sie noch suchen sollte.
Im Gegensatz zur schläfrigen Stimmung am Morgen summte die Küche wie ein Bienenstock , gegen den ein Bär geschlagen hat. Mägde liefen durch die Wirtschaftstür herein und hinaus, schleppten Kessel und Wannen, drängten auf der Treppe an Anna vorbei und wieder zurück. Sie spähte in dem Gewirr umher, doch Friedrich war nicht zu entdecken. Alimah stand inmitten der Aufregung, ein schwarzer Fels in bunter Brandung, und erteilte Anweisungen.
“Du, hol mir eine Handvoll Pfeffer, die gleiche Menge Wacholder und ein Lorbeerblatt!” Das Mädchen flitzte los. “Und du da, pflück mir frischen Beifuß, bring mir Fenchel und Galgant”, herrschte sie die zweite an. “Du schneid Speck und bring mir Bindfaden! Du setz den Kessel auf den Herd …” Sie wischte sich den Schweiß von der dunklen Stirn und winkte Anna zu sich herunter. Vorsichtig, um mit dem Hund auf dem Arm nicht zu stolpern, tappte Anna die Treppen hinab.
“Hast du Hunger?” , fragte die Köchin.
Anna schüttelte den Kopf. “Was geht hier vor?”, fragte sie.
“Die Vorbereitungen für die Hochzeit haben begonnen. In der Früh hatten alle noch einmal Ruhezeit - der Kaiser i st auf Reisen, da kann man großzügig sein. Aber ab sofort wird jede Hand gebraucht, bis das Fest vorbei ist. Hast du nichts zu tun? Dann kannst du gleich mit anfassen.” Die Magd neben Anna stieß einen Eimer um, und das Wasser spritzte in hohem Bogen über den Steinboden. “Kannst du nicht aufpassen?”, keifte Alimah. “Aber du solltest dich umziehen“, fuhr sie gemäßigter fort. „Das Kleid ist nichts für die Küche.”
“Nein, nein, ich habe noch viel zu tun.” Anna wollte sich schon umwenden, da fiel ihr etwas ein. “Wohin ist er denn verreist?”
“ Er holt seine Braut ab.”
Anna taumelte über den Flur. Friedrich war fort, und wenn er wiederkam, brachte er seine Braut mit. Es war zu spät, sie hatte ihn verloren.
Die Vögel besangen emsig den frühen Morgen, doch es war bereits unerträglich heiß; zur Mittagszeit würde ihnen das Zwitschern sicher vergehen. Breite helle Tücher waren von Dach zu Dach, von Mauer zu Mauer und sogar über die leeren Käfige gespannt worden, um die Sonnenglut abzuhalten. Wächter verwirbelten mit Zweigen die Luft, um die flirrende Hitze über dem Weg zu vertreiben, auf dem Friedrich
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