Die Gewandschneiderin (German Edition)
schnupperte. Anna lachte. Ein feiner Duft aus ihrem frisch gewaschenen Haar strich ihr bei jeder Drehung um die Nase. Die Kamille tat ihre Wirkung. Sie trat in ihre Kammer und hängte das blaue Kleid über die Stuhllehne. Es musste wirklich gewaschen werden. Anna schaute an sich hinunter - das rote Kleid hatte sie selten getragen, es war sauber. Mit der freien Hand tastete sie nach ihrem Haar, es fühlte sich weich an. Schade, dass sie sich nirgends spiegeln konnte. Gar zu gern hätte sie gewusst, ob ihr Haar so glänzte wie das von Hethel damals im Kloster. Sie rieb sich mit dem Ärmel über die Lippen, bis sie vermutlich ganz rot waren, und trat auf den Gang hinaus, um den Kaiser zu aufzusuchen.
Aus Meister Spierls Stube drang ein Geräusch. Anna drückte die Klinke und trat über die Schwelle. Im gleichen Augenblick fiel ihr siedend heiß ein, dass es gar nicht mehr sein Zimmer war. Und das Schlimmste - sie stand vor einem Mann in feinleinener Bruche, die mit allerlei Zierrat bestickt war, der ihr mit vergnügt funkelnden Augen entgegensah. Das nicht mehr ganz junge Gesicht, bartlos wie das eines Jünglings, wurde von hellbraunen Locken umrahmt, die sich weich bis zum Kinn ringelten. Quälend langsam griff er nach Hemd und Gewand und streifte sich eins nach dem anderen über den Kopf. Da erst schlug Anna die Augen nieder.
“Entschuldigt, ich wollte nur meinen Gatten aufsuchen.”
“Holde Maid, ich bin entzückt!” Der Mann schnürte seinen Gürtel. “Obgleich … wollen wir uns nicht erst ein wenig vertraut machen, bevor wir in den heiligen Stand der Ehe eintreten? Mein Name ist Neidhart von Reuental.”
Was hatte sie da gerade gesagt? “So war es nicht gemeint, ich will Euch nicht heiraten, ich …”
“Sie will mich nicht” , seufzte Neidhart und beäugte sie wie ein Falke. “Das Leben ist ein Jammertal. Kaum gewonnen, schon zerronnen. Wankelmütig sind die Weiber und ach, so lieblich außerdem.”
“Ich …”
Er winkte ab. “Sag t nichts! Um Eurer großen Schönheit willen mag ich Euch vergeben.” Neidhart fiel auf ein Knie und presste beide Hände auf die Brust.
“ Euer Haar ist wie lichter Maienglanz, und Eure Augen schimmern fröhlicher als das Geschmeide auf Eurem Rock. Nun weiß ich, warum Ihr mich abweist – Ihr seid die Braut des Kaisers, richtig?”
Anna schoss die Röte ins Gesicht . Was hätte sie darum gegeben! Aber was ging es ihn an? Dieser unverschämte Kerl.
“Was bildet Ihr E uch ein?”, schimpfte sie.
Doch Neidhart achtete nicht auf ihre Worte, versunken starrte er auf die Fußspitze, die unter seinem Gewand hervorl ugte. “Wiewohl, Isabella könnt Ihr nicht sein, sie kommt erst morgen an, wie ich aus sicherer Quelle weiß.” Er hob den Kopf. “Wer seid Ihr dann? Ich flehe Euch an, verratet mir Euren Namen!”
Anna wusste nicht, ob sie lachen oder wütend sein sollte. Ohne ein Wort wandte sie sich um und verließ die Kammer. Sie hatte Wichtigeres zu tun. Wo sollte sie den Kaiser suchen?
“Wartet, lauft nicht fort !” Anna sah sich um. Neidhart hüpfte hinter ihr her, in den Händen einen Stiefel, der andere saß bereits am Fuß. “Ihr könnt doch nicht so grausam sein. Ich muss Euren Namen erfahren, um Euch zu besingen. Die Liebe hat mich ergriffen!”
Anna blieb stehen, als wäre sie vor eine Wand geprallt. Die letzten Worte ließen keinen Zweifel. Gott hatte ihren Schritt gelenkt, er hatte Neidhart geschickt, um sie zu versuchen. Oh, sie würde standhaft bleiben. Wenn Gott sie für Friedrich auserwählt hatte, wollte sie keinen anderen mehr ansehen.
“Geht, I hr habt von mir nichts zu erwarten.” Sie stürmte weiter. Was hatte die Stunde geschlagen? Um diese Zeit wurden sonst die Tiere versorgt. Vielleicht war der Kaiser bei den Käfigen. Oder wenigstens M´Ba, der konnte ihm auch ausrichten, dass sie bereit war zu … baden.
Der Lockenschopf lief weiter neben ihr her. Seitlich, wie ein Krebs am Strand, schob er sich neben ihr durch den Gang , ohne sie zu berühren.
Anna trat auf den Platz hinaus. Von hier aus hatte sie einen guten Überblick über die Käfige, aber Friedrich war nicht zu sehen, ebenso wenig wie M´Ba.
Die Welpen - bei denen konnte sie nachsehen. Falke auf dem Arm, eilte sie zum Hundestall, doch einzig das Dämmerlicht und die anderen jungen Hunde empfingen sie. Keiner der Pfleger hielt sich hier auf, sie konnte niemanden fragen. Schnell lief sie zurück, sie würde es doch in seinen Gemächern versuchen. Karim ließ sie sicher
Weitere Kostenlose Bücher