Die Gewürzhändlerin
schlug es in rasender Geschwindigkeit weiter. Gleichzeitig spürte sie an ihrer Brust, wie sich das Kruzifix erwärmte, beinahe zu glühen begann. Unwillkürlich legte sie die Hand darauf. Erst nach einigen Augenblicken nahm sie Irmhilds besorgte Miene wahr. «Nein … nein, es ist alles in Ordnung», stammelte sie und riss sich dann zusammen. «Sagt, Ihr meint nicht etwa Albrecht Branten?»
«Doch, das ist sein Name. Kennt Ihr ihn?» Irmhild blickte sie neugierig an.
Luzia schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. «O ja, ich kenne ihn.» Sie ballte in plötzlicher Erkenntnis die Hände zu Fäusten. «Jetzt weiß ich, wer hinter alldem steckt.»
«Luzia?» Verunsichert berührte Irmhild sie am Arm. «Was meint Ihr damit? Glaubt Ihr, Albrecht habe …»
«Ja, Irmhild.» Zorn stieg in Luzia auf. «Er hat Martin ins Gefängnis gebracht. Ich weiß es.»
«Aber warum?»
Luzia blickte Irmhild starr an. «Eine gute Frage. Rache vielleicht.»
«Rache wofür?»
«Das ist eine lange Geschichte», antwortete Luzia. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. «Ich muss sofort …» Sie hielt inne. Was sollte sie jetzt tun? Wie sollte sie beweisen, dass Albrecht hinter dem Komplott steckte?
«Irmhild, wisst Ihr, wo Albrecht sich aufhält?»
«Ja, sicher. Er ist bei uns zu Hause. Und wenn er nicht dort ist, hat er eine Kammer im
Kleinen Deutschen Haus
, der Herberge beim Gasthaus
Zum Spieß
.»
«Danke, Irmhild.» Kurz drückte Luzia noch einmal die Hände der jungen Frau. «Ihr müsst mich entschuldigen. Ich muss sofort nach Hause gehen und Graf Johann Bescheid geben.»
«Vergesst bitte nicht den Brief für Konrad», bat Irmhild. «Ich will nicht, dass er …»
«Brief, Mädchen? Was denn für einen Brief?», erklang hinter den beiden Frauen die dunkle Stimme eines Mannes.
Irmhild erschrak und wurde leichenblass. Luzia stellten sich die Nackenhaare auf, das Kruzifix begann leise zu sirren. Langsam drehte sie sich um und blickte in Albrechts höhnisches Gesicht.
«Habt ihr zwei vielleicht Geheimnisse? So was aber auch.» Er schnalzte. «Wen haben wir denn hier? Ist das nicht die kleine Magd von Elisabeth? Und so reich gewandet! Dem verkrüppelten Kaufmann das Bett zu wärmen scheint sich ja bezahlt zu machen, wie? Na, zumindest bisher. Du solltest dir besser einen neuen Herrn suchen, der dir deine Flausen bezahlt.» Mit einem hässlichen Grinsen trat er auf Luzia zu und griff nach ihrer Taille.
Luzia wich zurück und schlug instinktiv seine Hand fort.
Albrecht lachte nur. «Kratzbürstig wie damals, ja? Macht nichts. Ich bevorzuge sowieso eher die Blonden, Sanftmütigen.» Bedeutungsvoll wandte er sich Irmhild zu. «Natürlich kann ich es nicht zulassen, dass meine Zukünftige mit anderen Männern buhlt, wie?» Er fasste Irmhild unsanft am Arm. «Ich sollte dich umgehend nach Hause bringen, wo du hingehörst.»
«Lasst Irmhild in Ruhe!», rief Luzia erschrocken. «Sie hat nichts getan, als nach unserer Andacht mit mir zu plaudern.»
«Ja, sicher.» Albrecht lachte spöttisch, ließ jedoch Irmhilds Arm los. «Vielleicht sollte ich dich nach diesem Brief durchsuchen, von dem eben die Rede war. Könnte interessant werden.»
«Wagt es nicht, mich auch nur anzurühren!», fauchte Luzia. «Ich schreie die gesamte Kirche zusammen.» Sie funkelte ihn hasserfüllt an. «Ihr seid dafür verantwortlich, dass Martin im Turm sitzt.»
Albrecht hob die Brauen und grinste kalt. «Ach ja?»
«Und gewiss habt Ihr auch die
Ludwina
überfallen und den Mann getötet.»
«An deiner Stelle wäre ich vorsichtig mit solchen Anschuldigungen, Mädchen.»
«Es ist die Wahrheit!»
Albrecht lachte wieder. «Kannst du das auch beweisen?», fragte er und gab sich im nächsten Augenblick mit einem süffisanten Lächeln selbst die Antwort: «Nein, diesmal nicht. Er wird dafür büßen, dass er meine Ehre verletzt hat.» Er packte Irmhild erneut am Arm und zerrte sie mit sich. «Komm mit, Kleine. Dein Vater wird höchst erstaunt sein, wenn ich dich heimbringe und ihm berichte, dass du die Dreistigkeit besitzt, Ränke gegen uns zu schmieden. Er sollte dich wirklich einsperren – zu deinem eigenen Vorteil.»
Luzia ballte die Fäuste und sah hilflos zu, wie er Irmhild hinter sich herschleppte. Das Mädchen blickte angsterfüllt über die Schulter zu Luzia zurück. Einige andere Besucher der Kirche sahen den beiden neugierig nach, doch niemand schien sich einmischen zu wollen.
Mehrmals atmete Luzia tief ein und aus, um
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