Die Gewürzhändlerin
sich zu beruhigen. Sie wusste, sie konnte Irmhild im Augenblick nicht helfen. Entschlossen wandte sie sich ebenfalls zum Ausgang. Draußen sah sie sich suchend nach Godewin um, der neben dem Portal auf einem steinernen Vorsprung saß.
«Komm rasch!», rief sie ihm zu. «Wir müssen so schnell wie möglich nach Hause.»
* * *
«Albrecht also.» Elisabeths Stimme zitterte leicht. Hilfesuchend blickte sie zu Johann auf, der mit finsterer Miene und verschränkten Armen mitten in der Stube stand. «Ich dachte, wir wären ihn ein für alle Mal los.»
«Das dachte ich auch», brummte Johann zornig. «Aber es war Dietrich, den sie in den Kerker geworfen haben, wo er, soweit ich weiß, noch immer verrottet.»
«Aber warum Martin?», fragte Elisabeth. «Wenn Albrecht sich rächen will, warum dann nicht an dir, an uns? Ist es, weil Martin dir geholfen hat, indem er van Thelen ins Spiel gebracht hat?»
«Er hat etwas von verletzter Ehre gesagt», merkte Luzia an.
Elisabeth sah sie erstaunt an.
Johann fluchte leise. «Das ist es also?» Er drehte sich zu Elisabeth um. «Erinnerst du dich an jenen Tag, an dem Albrecht betrunken in deine Kemenate eingedrungen ist und dir Gewalt antun wollte?»
Elisabeth zuckte zusammen und schauderte. «Wie könnte ich das jemals vergessen.»
«Martin war dort, nicht wahr? Er hat Albrecht aufgehalten.»
Elisabeth nickte zögernd, dann wurden ihre Augen groß. «O Gott. Er hat Albrecht überwältigt und zu Boden gestoßen, ihm einen Fuß auf die Brust gesetzt und …»
«Damit Albrechts Ehre zutiefst verletzt.» Johann nickte. «Das ist es. Deshalb will er Rache.»
«Aber hätte er dann Martin nicht herausfordern müssen?» Ratlos blickte Luzia zwischen Johann und Elisabeth hin und her.
Johann winkte ab. «Martin ist nicht von Adel, kein Ritter.»
«Albrecht doch auch nicht.»
«Aber er ist sehr wohl ein Wäpling», erklärte Johann düster. «Und als solcher schlägt er sich nicht offiziell mit einem Mann, den er unter seinem Stand sieht.» In Johanns Wange zuckte ein Muskel. «Nein, er stellt es anders an. Verletzte Ehre gegen verletzte Ehre. Indem er Martins Leumund zu zerstören versucht, ihm Betrug und gar Mord in die Schuhe schiebt, vergilt er Gleiches mit Gleichem.»
«Aber …» Luzia schüttelte verständnislos den Kopf. Der Irrsinn hinter diesem Gedankengang war für sie einfach unfassbar.
«Was sollen wir jetzt tun?» Elisabeth faltete ihre nervösen Hände im Schoß. «Wir können doch nicht zulassen, dass Albrecht damit durchkommt.»
«Natürlich nicht.» Johann seufzte und ließ sich auf den Stuhl neben ihr sinken. «Aber wie es scheint, hat er diesmal ganze Arbeit geleistet. Selbst van Thelen konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob die Briefe gefälscht wurden. Die beiden Zeugen schwören darüber hinaus Stein und Bein, Martin an jenem Tag von der
Ludwina
kommen gesehen zu haben. Einen Fremden haben sie nicht bemerkt.»
«Könnten sie gekauft sein?»
Johann dachte einen Moment über Luzias Frage nach, dann schüttelte er entschieden den Kopf. «Ich glaube nicht. Die beiden sind seit Jahren in Loerbeks Mannschaft. Ich vermute eher, Albrecht hat es irgendwie eingefädelt, dass die beiden zur rechten Zeit die Hafentaverne verließen und zur Kogge zurückgingen. Sie haben ausgesagt, dass in der Taverne ein paar Kerle Ärger angefangen hätten, weswegen sie gegangen sind, um nicht in eine Schlägerei verwickelt zu werden.»
«Schlau von ihm.»
«Ja, leider.»
«Aber er kann das alles unmöglich alleine eingefädelt haben», warf Luzia ein. «Jemand muss ihm geholfen haben, und irgendwo müssen doch auch die gestohlenen Waren abgeblieben sein. Die Benediktinerinnen haben mir gesagt, dass Heinrich Boos ihnen Alaun und Auripigment in genau der Menge angeboten hat, die uns gestohlen wurde. Und er hat weit unter Preis verkauft.»
«Diese Spur habe ich heute bereits verfolgt», sagte Johann. «Boos hätte mich beinahe aus seinem Haus geworfen. Schrie etwas von Rufmord. Allerdings hat er behauptet, er hätte den Alaun wie auch das Auripigment von Ulrich Thal erhalten.»
«Der überhaupt nicht mit Farben handelt.» Luzia wurde blass. «Das hat ihn nicht stutzig gemacht?»
«Warum? Die beiden sind gute Freunde.» Johann zuckte mit den Achseln. «Sie haben sich wohl schon mehr als einmal gegenseitig lukrative Geschäfte zugeschustert.»
«Also muss Thal in die Sache verwickelt sein», schloss Luzia. «Vielleicht will er deshalb auch Irmhild mit Albrecht verheiraten. Damit
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