Die Gewürzhändlerin
leiser fort: «Ich schätze, Ihr solltet es erfahren, Jungfer Luzia. Ich weiß, dass ich Euch vertrauen kann.» Er hielt kurz inne, und sein Blick wanderte in eine unbestimmte Ferne. «Es ist jetzt mehr als zehn Jahre her. Damals war ich noch selbst im Gewürzhandel tätig.»
«Du warst Gewürzhändler?» Verblüfft starrte Luzia ihn an. «Deshalb kennst du dich mit dem Geschäft so gut aus.»
Alban nickte unbestimmt. «Ich habe viele Jahre für den seligen Bertholff Wied Spezereien beschafft, später dann auch für Martin. Und, nun ja …» Er richtete seine Augen wieder auf Luzia und lächelte schief. «Wir haben ein paar Geschäfte zusammen gemacht, die … ah … die nicht ganz rechtens waren. Martin wurde dann eines Tages erwischt …»
«Von Graf Johann.»
Alban hob zunächst überrascht die Brauen, nickte dann aber. «Martin war ein Heißsporn, jung und ein wenig zu furchtlos. Ich schätze, seine Entstellung hat ihm damals mehr zugesetzt, als er irgendwem gegenüber zugegeben hätte. Irgendwie hat er sich mit Johann geeinigt, seither sind sie die besten Freunde. Aber ich kam, ohne dass er zunächst davon wusste, in Kerkerhaft. Man hat mich gebrandmarkt, und später wollten sie mir das Ohr schlitzen, vielleicht gar die rechte Hand abhacken.» Er schauderte sichtlich bei der Erinnerung an jene Tage.
«Aber das ist dir erspart geblieben», sagte Luzia vorsichtig.
«Als Martin schließlich doch erfuhr, dass man mich eingesperrt hatte, war es fast zu spät. Es waren ein paar Wochen vergangen, in denen ich im Kerker beinahe an den Folgen der Brandmarkung gestorben wäre.» Alban fasste an den Kragen seines Hemdes und zerrte ein wenig daran, bis er ihn weit genug geöffnet hatte, sodass Luzia das Brandzeichen auf seiner linken Brust sehen konnte. «Ich kann wohl von Glück sagen, dass sie mir das glühende Eisen nichts ins Gesicht gedrückt haben», murmelte er, während er sein Hemd wieder zurechtzog. «Die Schöffen wollten mir damals zusätzlich noch das Ohr schlitzen, damit jeder sofort erkennen sollte, dass ich ein Betrüger bin. Natürlich erst nachdem ich die Brandwunde überstanden hatte.»
«Martin hat dich aus dem Kerker herausgeholt?»
«Er hat mit den Schöffen verhandelt. Schließlich haben sie mir alles Hab und Gut genommen, ebenso mein Bürgerrecht. Sie haben mir verboten, jemals wieder Handel zu treiben oder auch nur irgendeinen Beruf auszuüben. Mir blieb nichts mehr.»
«Und Martin hat dich dann als Knecht eingestellt.» Luzias Herz weitete sich beim Gedanken an eine derartige Großherzigkeit.
«Er hätte das nicht tun müssen», erklärte Alban. «Er hat mich aus dem Kerker geholt und gesund gepflegt. Damit hat er jede Schuld, die er sich an meinem Schicksal gab, so eingebildet sie auch sein mag, zehnfach abgetragen. Aber er bestand darauf, dass ich für ihn arbeite. Ich verdanke ihm viel, Jungfer Luzia.»
Still nickte sie. Nun bekam so langsam alles einen Sinn.
«Ihr sagt, Ihr könnt vielleicht beweisen, dass dieser Albrecht hinter allem steckt?», unterbrach Alban ihre Gedanken.
«Ja, ich hoffe es. Und nicht nur er. Ich fürchte, dass auch Ulrich Thal daran beteiligt ist.»
Alban stieß einen lästerlichen Fluch aus. «Worauf wartet Ihr dann noch?»
Unsicher blickte sie auf die Hintertür.
Alban nickte ihr aufmunternd zu. «Geht hinein. Sie wird Euch schon nicht den Kopf abreißen.»
«Sie mir vielleicht nicht», murmelte Luzia, ging auf die Tür zu und stieß sie auf. Sie straffte die Schultern und trat ein.
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24. Kapitel
I m Haus schien alles ruhig zu sein, doch unter der Tür zum Kontor drang ein Streifen Licht hindurch. Offenbar war Konrad noch mit einer Arbeit beschäftigt. Luzia atmete tief durch, reckte das Kinn, klopfte kurz an die Tür und öffnete sie.
Überrascht stellte sie fest, dass der Raum leer war. Auf dem Pult lag eines von Martins Rechnungsbüchern, daneben einige Briefe. Auf einem Zinnteller stand eine brennende Öllampe. Offenbar hatte Konrad das Kontor nur kurz verlassen. Luzia zog leise die Tür hinter sich zu und trat an das Pult, strich sachte mit den Fingerspitzen über die Platte und beugte sich dann über die Schriftstücke. Eines davon war der Kontrakt zwischen Martin und Muskin, ein weiteres erkannte sie als die Vereinbarung, die er mit de Beerte geschlossen hatte. Als sie die Summe sah, die der Jude Martin zur Verfügung gestellt hatte, stockte ihr der Atem. Sie setzte sich und ergriff die Urkunde, in der die Sicherheit
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