Die Gewürzhändlerin
versuchte, das flaue Gefühl in ihrem Magen zu ignorieren. «Kurz bevor wir den Stand geschlossen haben, war ein Kaufmann dort. Alban sagt, er heißt Ulrich Thal.»
Martins Miene verzog sich verärgert. «Was wollte er?»
«Das weiß ich nicht genau. Ich habe ihm zwei Lot Zimt und ein halbes Pfund Zucker verkauft.»
«Ihr habt was?» Verblüfft trat Martin näher.
Luzia zwang sich, ruhig stehen zu bleiben. «Ich habe ihm Zimt und Zucker verkauft.» Rasch berichtete sie, was sich zugetragen hatte, und schloss: «Ich glaube, der Mann wollte mich auf die Probe stellen, Herr Wied. Er hat nicht geglaubt, dass ich rechnen kann und alles richtig mache. Als ich es ihm bewiesen hatte, kaufte er die Gewürze.»
«Bewiesen, aha.» Martin musterte sie eingehend. «Erst Boos, jetzt Thal. Die beiden führen etwas im Schilde, da bin ich mir ganz sicher.» Er hielt einen Moment inne und lächelte dann grimmig. «Ihr habt Euch beiden gegenüber behauptet.»
Luzia verschränkte die Arme. «Das klingt, als würde Euch das stören. Wenn dem so ist, müsst Ihr mir sagen, wie ich mich diesen Männern gegenüber verhalten soll.»
Martin stieß ein kurzes Lachen aus. «Schon fahrt Ihr wieder die Krallen aus, wie?»
«Wenn es sein muss.»
Martin schüttelte den Kopf. «Kommt mit.»
«Wohin?» Da Martin nicht antwortete, sondern an ihr vorbeiging und das Kontor verließ, blieb ihr nichts anderes übrig, als seiner Aufforderung nachzukommen.
Sie folgte ihm über den Hof zu seinem Lagerhaus, an dessen doppelflügliger Eingangstür links und rechts brennende Fackeln in Wandhalterungen hingen. Inzwischen war es vollkommen dunkel geworden, und die Flammen warfen zuckende Muster an die Wände.
Martin nahm eine der Fackeln mit in das Lagerhaus und entzündete dort zwei weitere Kienspäne. Die Fackel hängte er in einen Halter an der rückwärtigen Wand. Dann drehte er sich zu Luzia um, die in der Tür stehen geblieben war. «Kommt. Seht Euch um. Ich möchte, dass Ihr morgen früh herkommt und Konrad und meinen Schwestern beim Sortieren der Waren helft.»
Luzia ging durch den Raum und sah sich um. «Eure Schwestern helfen auch?»
«Natürlich. Sie können lesen und schreiben, wenn sie auch wahrscheinlich nicht allzu viel Begeisterung mitbringen werden. Sie interessieren sich wenig dafür, wie ich das Geld verdiene, mit dem ich ihnen den Wohlstand ermögliche, an den sie gewöhnt sind.»
Luzia blieb stehen und sah ihm ins Gesicht. Trotz der Entfernung von mindestens fünf Schritten und des flackernden Zwielichts in dem Lagerraum sah sie sein amüsiertes Lächeln. Unwillkürlich erwiderte sie es. «Das klingt nicht, als wäret Ihr sonderlich böse darüber.»
«Das bin ich auch nicht. Wenn eine der beiden Interesse am Gewürzhandel gezeigt hätte, wäre ich der Letzte gewesen, der sie abgehalten hätte, etwas darüber zu lernen. Aber sowohl Arietta als auch Marcella erfreuen sich mehr an Handarbeit, Gesang, Tanz. Warum sollte ich es ihnen verübeln? Sie sollen beide einmal gut verheiratet werden. Sorgen um ihre Zukunft müssen sie sich nicht machen.»
«Boos sprach heute davon, dass Ihr Euer Geschäft verlieren könntet.» Luzia blickte abwartend zu ihm hinüber. Als er nicht sofort antwortete, senkte sie verlegen den Kopf und trat an eines der großen Regale, in denen sich Beutel und Kisten stapelten. Angelegentlich musterte sie die Waren. Hinter sich hörte sie Martins Schritte langsam auf sich zukommen. Aus einem unerfindlichen Grund holperte ihr Herzschlag. Rasch drehte sie sich zu ihm um.
Zwei Schritte vor ihr war er stehen geblieben. Sein dunkelrotes Haar schimmerte kupfern im diffusen Schein der Fackel. Seine dunkelblauen Augen lagen im Schatten und wirkten fast schwarz. Luzia spürte seinen Blick über ihr Gesicht wandern und dann für einen kurzen Moment an ihren Lippen hängenbleiben, bevor er ihr wieder in die Augen sah. Wieder geriet ihr Herz für ein paar Schläge aus dem Rhythmus.
«Boos redet viel, wenn der Tag lang ist», sagte er. «Er hat sich ordentlich aufgeregt, als er hier war. Konrad erzählte, dass Ihr ihm den Kopf zurechtgerückt habt.»
Luzia senkte den Blick. «Ich hätte nicht …»
«Ihr habt eine scharfe Zunge, Luzia. Das kann Euch sowohl schaden als auch nützlich sein.»
«Hat es mir geschadet?» Vorsichtig hob sie wieder den Blick.
Martin lächelte. «Ich fürchte, das hat es nicht.»
«Ihr fürchtet?»
«Ja, denn das bedeutet, dass ich auf Eure Dienste als Gehilfin wohl nicht verzichten
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