Die Gewürzhändlerin
sollte.»
Luzia schluckte und rieb sich unbehaglich über die Oberarme. «Wolltet Ihr das denn?»
«Ja.»
Sie sah ihn mit großen Augen an. «Warum?»
Als er einen halben Schritt auf sie zumachte, wich sie unvermittelt etwas zurück. Resigniert stieß er die Luft aus. «Luzia, seht Ihr das nicht selbst? So können wir nicht zusammenarbeiten.»
Sein Blick wirkte plötzlich finster; Luzia meinte, unterdrückten Zorn und Kränkung darin zu erkennen. Sie wich noch einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen das Regal. «Was meint Ihr damit?»
Martin hielt ihren Blick gefangen. «Das wisst Ihr genau, Luzia. Ich habe Euch gedrängt, mir zu helfen, Euch möglicherweise sogar unter Druck gesetzt, wegen des Kruzifixes und dieses Schwurs.»
Luzia nickte beklommen. «Das habt Ihr.»
«Ihr glaubt vermutlich, es sei Eure Pflicht, mir zu helfen.»
«Ich …»
«Aber ich sehe auch, dass Ihr vor mir zurückschreckt. Ich kann nicht verlangen, dass Ihr jemandem helft, den Ihr verabscheut.»
Erschrocken starrte sie ihn an. «Ich verabscheue Euch nicht, Herr Wied!»
«Nein?»
«Nein, ich … Es ist nur …»
«Mein Anblick, nicht wahr? Meine Brandnarben flößen Euch Angst und Widerwillen ein.»
Luzia schluckte hart. «Ich habe Euch schon einmal gesagt, dass ich einen Menschen nicht nach seinem Äußeren beurteile.»
«Das habt Ihr, aber glaubt Ihr auch selbst an Eure Worte?» Er trat noch näher an sie heran. Dicht vor ihr blieb er stehen. Luzias Herz begann, unnatürlich schnell zu pochen. Wie gebannt blickte sie auf seine rechte Hand mit dem verkrüppelten kleinen Finger und dem rotbraunen und weißen Narbengewebe. Martin hatte sie angehoben und drehte sie langsam vor ihrem Gesicht. Dann ließ er sie sinken und umfasste unvermittelt ihr linkes Handgelenk. Bedächtig strich er mit dem Daumen über die weiche Haut über ihrer Pulsader.
Ein Schauer breitete sich von der Stelle, an der er sie berührte, über ihren gesamten Arm aus. Erschrocken verkrampfte sie sich.
Sogleich ließ Martin sie wieder los, rückte jedoch nicht von ihr ab, sondern hielt weiterhin ihren Blick gefangen. «Es macht Euch also nichts aus, ja?»
Wieder schluckte Luzia. «Warum tut Ihr das?»
Ihre gepresste Stimme veranlasste ihn nun doch, einen Schritt zurückzuweichen, um ihr wieder etwas Luft zum Atmen zu geben. Seine angespannten Gesichtszüge glätteten sich etwas. «Ich mache Euch klar, weshalb ich daran zweifle, dass es klug ist, Euch als Gehilfin anzustellen.»
«Eben noch habt Ihr gesagt, Ihr wollt nicht auf mich verzichten.»
Um Martins Mundwinkel zuckte es kurz. «Ich sagte, ich sollte nicht auf Euer Talent verzichten. Aber ich werde Euch zu nichts zwingen, was Ihr nicht wollt.»
«Gut.» Luzia atmete auf, als er noch einen Schritt zurückwich. «Denn ich werde auch nichts tun, was ich nicht will. Ich habe Euch meine Hilfe zugesagt, und dabei bleibe ich.»
Martin neigte den Kopf zur Seite und lächelte unvermittelt. «Dann wäre das also geklärt. Luzia?»
«Was?» Unbehaglich sah sie ihm ins Gesicht.
«Ihr stochert in einer schlecht verheilten Wunde.»
«Wie bitte?» Entgeistert schnappte sie nach Luft.
«Ich sage nicht, dass Ihr es mit Absicht tut.» Martin schüttelte leicht den Kopf – ob über sie oder sich selbst war nicht auszumachen. «Ich bin kein Ungeheuer, Luzia.»
«Natürlich nicht.» Ihre Stimme schwankte bedrohlich.
Er trat wieder einen Schritt auf sie zu und strich ihr unvermittelt eine Locke hinters Ohr, die sich aus ihren aufgesteckten Zöpfen gelöst hatte. «Dann behandelt mich auch nicht so.» Mit einem Ruck wandte er sich ab, griff nach der Fackel an der Wand und strebte dem Ausgang zu. «Ich hole Anton. Er dürfte sich inzwischen den Bauch mit Eintopf vollgeschlagen haben.» An der Tür wandte er sich um. «Euch erwarte ich morgen früh hier, Jungfer Luzia.» Damit verließ er das Lagerhaus.
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10. Kapitel
A ls Luzia am folgenden Morgen beim Kornmarkt eintraf, wartete Konrad auf sie. Martin war bereits zum Florinshof aufgebrochen und hatte es seinem Bruder überlassen, die Leitung über die Aufräumarbeiten im Lager zu übernehmen.
Konrad erklärte Luzia, was sie zu tun hatte, und gab auch Anton eine Aufgabe. Marcella und Arietta waren dabei, Listen von zwei Wachstafeln in zwei mit Klammern zusammengehaltene Bücher zu übertragen. Sie begrüßten Luzia freundlich, wenn auch zurückhaltend. Es war offensichtlich, dass sie nicht wussten, wie sie sich in Anwesenheit
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