Die Gezeiten von Kregen
gleich bezahlen, aber ich kenne mich auf Schiffen aus. Ich kann dafür arbeiten. Wenn ich dann wieder zu Hause bin, bezahle ich dich durch die Lamnias.«
»Einverstanden.« Er war Kapitän – und ein Mann schneller Entschlüsse.
»Vielen Dank.«
»Und dein Name? Dein Land?«
»Ich bin Dray Prescot aus Vallia.«
Er hob die Augenbrauen. Ich nahm nicht an, daß er schon von mir gehört hatte. Immerhin ist Kregen sehr groß, und während meine Taten in den betroffenen Ländern Aufsehen erregten, waren sie doch anderswo so gut wie unbekannt.
»Es freut mich, einen Kontakt nach Vallia zu haben. Vielleicht können wir später etwas arrangieren.«
Er war geschickt. Der Handel auf dem Meer ist ein riskantes Geschäft. Sie wissen, daß es auf Kregen Flugboote gibt; trotzdem wird der größte Teil des Welthandels über Schiffe oder Kanäle oder auf dem Rücken von Lasttieren abgewickelt. Flugboote sind selten und kostbar und in so manchem zivilisierten Land völlig unbekannt. Havilfar versteht es, seine Geheimnisse für sich zu behalten.
So sagte ich: »Ich möchte gern in Xuntal ein Flugboot mieten. Besteht die vallianische Botschaft noch?«
Er sah mich ratlos an. »Warum sollte es sie nicht mehr geben?«
»Ich bin lange fort gewesen – aus politischen Gründen. Bei Vox, ich freue mich, bald wieder zu Hause zu sein!«
Vermutlich las er aus meinem Verhalten mehr heraus, als ich ihm enthüllen wollte; er hatte einen scharfen Blick. Fragen über meine Fahrt in dem kleinen Boot stellte er nicht, doch er mußte sich etwas zusammenreimen. Den Rest der Fahrt verbrachte ich als einfacher Seemann, und obwohl mich ein innerer Zwang antrieb, erkannte ich doch, daß der Argenter nicht schneller vorankommen konnte, und hatte auf diese Weise sogar wieder einmal Freude an den kleinen Annehmlichkeiten des Schiffslebens.
Die folgenden Wochen kann ich schnell überspringen. Meine nächste Station war der vallianische Botschafter von Xuntal, einer Insel vor der südlichen Landspitze von Balintol, des größten Subkontinents von Segesthes. Endlich wußte ich, wo ich mich befand! Mehzta – die Heimat meines lieben Freundes Gloag – lag vor der Nordostküste von Segesthes. In Xuntal war ich etwa ebenso weit von Valka entfernt wie von Zenicce, wo Gloag meinem Haus von Strombor vorstand. Nur wegen Delia ging ich zum vallianischen Botschafter und nicht zum Abgesandten Strombors. Zwischen Xuntal und Mehzta liegen die Chulik-Inseln. Zwischen Xuntal und Vallia die Inseln von Undurkor.
Ich hatte keine Mühe, beim vallianischen Botschafter vorgelassen zu werden. Er residierte in einem eindrucksvollen Gebäude, wie es seinem Land geziemte, an einer schattigen Allee inmitten anderer großartiger Häuser mit Botschaften und Konsulaten. Ich marschierte geradewegs hinein und sagte dem Türsteher, ich wolle den Botschafter sprechen. Das war sicher nicht das richtige Verhalten. Aber ich war einundzwanzig elende Jahre lang fort gewesen, da hatte ich es eilig. Man drohte mir prompt an, mich wieder auf die Straße zu setzen.
Schließlich marschierte ich in das Büro des vallianischen Botschafters – einen Wächter unter dem Arm, vier oder fünf Männer hinter mir hielten sich die schmerzenden Köpfe, während ich den letzten und am prachtvollsten gekleideten an der Gurgel gepackt hatte.
Der Raum war kostbar ausgestattet, doch ich achtete nicht auf die Einrichtung. Der Botschafter erhob sich hinter seinem Stuhl. Er hatte sich mit einem nervös wirkenden Rapa unterhalten, der sitzenblieb und seinen geierartigen Vogelkopf hob, um die Szene zu beobachten.
»Was willst du? Verschwinde, du Rast!«
Ich stieß den kostbar gekleideten Diener zur Seite.
Der Botschafter gehörte zu der rotwangigen, schweinsäugeligen Sorte, schnell erregt und bösartig. Er trug sündteure vallianische Lederkleidung, um den Kragen allerdings ein schickes schwarzweißes Schmuckstück. Ich kannte diese Farben aus Vallia. Der Mann war Mitglied der Racterpartei, der mächtigsten Partei in Vallia, einer Gruppe, die mir schon große Schwierigkeiten bereitet hatte – und das nicht zum letztenmal.
»Cramph!« brüllte ich. »Dein Name!«
Er sah mich an. Ich kannte ihn nicht. Auch er hatte mich wahrscheinlich noch nie gesehen. Dennoch genügte ein Blick in mein Gesicht, um ihn erbleichen zu lassen.
»Wächter!« kreischte er armeschwenkend.
Ich schnappte mir das Rapier eines Botschaftswächters vom Boden und ließ es herumsausen. »Ich erkundige mich nicht noch einmal nach
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