Die Gezeiten von Kregen
Vater gerade einen Besuch machte. Er hat dem mißratenen Kerl – Verzeihung, mein Prinz – die Nase blutig geschlagen.«
Das sah ihm ähnlich. Der Vater des jungen Prinzen Vanden war niemand anderer als Varden Vanek, Prinz des Hauses Eward in Zenicce, ein guter Freund Dray Prescots. Die alten Verbindungen bestanden also noch.
»Sprich weiter, Panshi.« Ich hatte mich inzwischen etwas beruhigt. Dies war nicht das Willkommen, das ich erwartet, nach dem ich mich gesehnt hatte. Die Leere in mir schien meine früheren Hoffnungen zu verspotten. Aber wie hatte ich nach so langer Zeit damit rechnen können, alle hier anzutreffen?
»Prinz Segnik zog fort – an einen unbekannten Ort – und nannte sich bei seiner Rückkehr Prinz Zeg.«
Ich glaubte zu wissen, wo Segnik gewesen war – und Sie, der Sie sich diese Bänder anhören, wissen es sicher auch.
»Und die Prinzessin Majestrix ist dort ebenfalls gewesen?«
»Ich nehme es an, Prinz. Genau weiß ich es nicht.«
»Erzähl mir mehr.«
»Männer kamen. Fremde. Sie sprachen allein mit der Prinzessin; Turko der Schildträger wollte nicht einsehen, daß sie nicht gestört werden durfte. Wir warteten unruhig, und als die Prinzessin den Männern Remberee sagte, sah sie – bitte verzeih mir, Herr – da sah sie traurig und erschöpft aus. Wir wollten ihr helfen, aber sie vertraute sich uns nicht an.«
»Hat Prinz Drak nichts dazu gesagt?«
»Er war in Vandayha wegen eines Silberschmieds, der sein Rohmaterial vermengt hatte. Es gab einen Skandal, und Prinz Drak ...«
»Ja, ja.« Ich erkannte, daß Prinz Drak während meiner Abwesenheit die Amtsgeschäfte geführt hatte. Nun, gehörte sich das nicht auch für einen pflichtbewußten Sohn?
»Der junge Prinz und die junge Prinzessin ...«, begann Panshi, doch ich unterbrach ihn ungeduldig.
»Und Turko und Balass und Naghan und Melow die Geschmeidige – sie alle haben die Prinzessin begleitet?«
Er sah mich nachdenklich an und zupfte seine Robe zurecht. »Das weiß ich nicht genau, mein Prinz. Sie wurden mit dem Elten von Avanar fortgerufen, um sich um das ... äh ... Ärgernis mit dem Strom von Vilandeul zu kümmern. Der Mann kam plötzlich auf die Idee, daß er Anspruch habe auf Länder westlich der Varamin-Berge, und führte ein Expeditionsheer ...«
Diese Nachricht ärgerte mich mehr, als daß sie mich schockierte. Der Elten von Avanar war mein alter Kampfgefährte Tom Tomor ti Vulheim. Er kommandierte die Armee von Valka. Wenn es sich der Strom von Vilandeul, ein Strom vom Festland Vallias, in den Kopf setzte, ihm gehörten Gebiete auf meiner Insel Can Thirda, dann gab es Ärger. Entsetzt war ich besonders wegen der Feststellung, daß so etwas in Vallia überhaupt passieren konnte. Der Herrscher war doch nicht schon so weit verkalkt, daß er Gesetz und Ordnung nicht mehr aufrechterhalten konnte! Um diese Sache mußte ich mich kümmern. Aber nicht sofort. Im Augenblick ging es mir um Delia. Die Kinder lebten offensichtlich ihr eigenes Leben. An erster Stelle kam meine Delia.
»Bei dieser Unruhe wäre der junge Prinz ...«, begann Panshi.
»Die Prinzessin Majestrix ist also allein gereist?«
Mein Tonfall beunruhigte ihn. Er hob die dünnen Schultern. »Sie wollte keinen Rat annehmen, mein Prinz. Wir haben es ehrlich versucht – sie reiste etwa zu der Zeit ab, als der Strom von Vilandeul von sich reden machte. Wenn ich mich frei äußern darf – ich glaube, der Strom sah seine Chance gekommen, als die Prinzessin fort war.«
»Tom wird sich um ihn kümmern«, sagte ich. Mit Vanger und der Luftflotte, mit der Kavallerie und der Luftkavallerie und den hervorragenden valkanischen Bogenschützen sollte mein Stromnat in der Lage sein, sich den Eroberungsplänen dieses aufmüpfigen Stroms zu widersetzen.
»Herr, die Prinzessin hat Begleitung – eine kleine Leibwache und Melow die Geschmeidige ...«
»Ah«, sagte ich und fühlte mich plötzlich viel besser.
Ich blickte mich in dem verstaubten Zimmer um und überlegte. Mein Blick fiel auf die Waffen an den Wänden, die hervorragend gepflegt und geölt waren, ich sah die langen Bücherreihen, die Bilder, die Banner, all die Erinnerungsstücke, die meine Gemächer zu einer Zuflucht machten, zu einem Ort der Entspannung.
»Warum liegt hier soviel Staub, Panshi?«
»Die Prinzessin hat allen den Zutritt verwehrt, nachdem du ... äh ... fortgingst, mein Prinz. Es wurde sogar gemunkelt, du wärst tot. Aber wer dich kennt, wußte es natürlich besser. Der junge Prinz aber
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