Die Gezeiten von Kregen
Bootsausflug.
Höhe und Position der Sonnen verrieten mir den ungefähren Breitengrad; der Längengrad blieb allerdings ein Rätsel. Ich hatte zwei Möglichkeiten, von denen mir keine besonders reizvoll erschien.
Trotz der Tatsache, daß Kregens Landmassen weitaus umfangreicher sind als die der Erde, blieben erhebliche Ozeanflächen. Hier stand ich nun vor einem behäbigen alten Ruderboot und wollte mich irgendwo auf den Ozeanen Kregens herumtreiben. Alle Himmelsrichtungen standen mir offen.
Zunächst formte ich aus dem in dieser Gegend gebräuchlichen braunen Tuch eine Art Segel, dann hieb ich mir einen geeigneten Baum zurecht und richtete ihn im Boot als Mast auf. Das Ruderboot selbst erinnerte mich an die kleinen Beiboote vom Auge der Welt – grob behauene Planken, mit Holznägeln zusammengefügt und mit Fasern und Ton abgedichtet, aber ich hatte nun mal nichts anderes.
Ich legte ab – mit unförmigen Tontöpfen voller Wasser und einem Vorrat gebratener Hühner und gerösteten Boskfleisches dazu große Mengen von Früchten, vorwiegend Palines.
Die Inselbewohner hielten mich bestimmt für verrückt. Inama lag offenbar viele Dwaburs von den Schiffahrtsstraßen entfernt – meine Aufgabe bestand darin, so schnell wie möglich ein Schiff oder Land zu finden. Leicht war das nicht.
Ich konnte nach Osten oder Westen fahren und mußte dann irgendwann auf Land treffen. Aber befand ich mich östlich von Havilfar und hielt nach Osten, geriet ich auf den offenen Ozean hinaus, bis ich schließlich jene andere Kontinentalmasse erreichte, von der die Shanks stammten. Und befand ich mich westlich von Turismond und segelte nach Westen, war das Ergebnis das gleiche. So beschloß ich, nach Norden zu segeln, wo ich mir die besten Chancen ausrechnete. Auf südlichem Kurs hätte ich mich von Vallia entfernt.
Nachdem ich einige Zeit Nordkurs gefahren war, schlug der Wind nach Osten um, was ich als eine Art Wink des Schicksals nahm; ich legte nordwestlichen Kurs an. Das Segel füllte sich, das Boot pflügte machtvoll durchs Wasser, und ich teilte mir meine bescheidenen Vorräte genau ein.
Dennoch kam der Tag, da ich Essen und Trinken nicht länger strecken konnte: es war nichts mehr übrig. Ich möchte die Härten dieser Fahrt nicht im einzelnen schildern; es möge der Hinweis genügen, daß ich mir Fische fing und sie aufschlitzte, um in kleinen Mengen Frischwasser zu gewinnen. Um der Flüssigkeit willen trank ich auch einige Hände voll Meerwasser am Tag – eine so kleine Salzmenge ließ sich ertragen – und aß Fisch, den ich normalerweise verabscheue, und das nicht nur wegen der verdammten Fischköpfe, die unser Land heimsuchten.
Eines Tages aber wurde ich aus meiner Not errettet. Ein Argenterschiff tauchte auf, strich das Haupttoppsegel und nahm mich an Bord.
Die Hände, die mich aus dem Boot hoben, und die Gesichter, die mich anstarrten, waren von schimmerndem Schwarz. Da wußte ich, daß ich mich bei Apim aus Xuntal befand; Angehörige der Rasse, der Balass entstammte. Die Xuntaler waren mir als stolze, aber rücksichtsvolle und großzügige Menschen bekannt.
Man trug mich unter Deck und legte mich in eine Koje. Als ich erwachte, stellte man mir Wasser, Nahrung und allerlei andere Dinge zur Verfügung, die ich für mein Wohlbefinden brauchte.
Über den Argenter möchte ich nicht viele Worte verlieren. Er hieß Zepter von Xurrhuk und erinnerte mich in seiner Bauweise an die großen Argenter Pandahems, wenn er auch nicht ganz so breit zu sein schien. Während die Segel schneeweiß schimmerten, war der Rumpf in den verschiedensten Farben angestrichen.
Der Kapitän, ein großer, eindrucksvoller Mann in einem blauen Gewand aus reiner Ponshowolle, lud mich in seine Kabine ein. Der Ausblick aus den Heckfenstern weckte so manche Erinnerung. Ich setzte mich und trank anständigen Maxanian-Wein. Der Mann stellte sich als Kapitän Swixonon vor.
»Du kannst von Glück sagen, Dom.«
»Aye, Kapitän. Xurrhuk mit dem Gekrümmten Schwert hat auf mich herabgelächelt.«
Er musterte mich ernst. »Du stammst aber nicht aus Xuntal.«
»Nein. Aber ich kann mindestens einen Xuntaler zu meinen Freunden zählen. Sag mir, Kapitän, wo liegt unser Ziel?«
»Wir segeln von Mehzta nach Xuntal.«
»Auch in Mehzta habe ich einen guten Freund.«
»Du bist weit gereist?«
Ich lachte nicht. »Nein«, antwortete ich. »Ich lernte diese Männer in Gegenden kennen, die von ihrer Heimat weit entfernt sind. Ich kann dir die Passage nicht
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