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Die Gezeiten von Kregen

Die Gezeiten von Kregen

Titel: Die Gezeiten von Kregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Burt Akers
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anwesenden Krozairbrüdern kenne mich niemand aus der alten Zeit. Fünfzig Jahre – das ist auf Kregen eine Viertel-Lebensspanne. Eine lange Zeit, trotz der Langlebigkeit. Hätte ich nicht gewußt, daß Zenkiren die Stadt befehligte, hätte ich ihn vielleicht nicht wiedererkannt. Die fürchterlichen Veränderungen, die mit ihm vorgegangen waren, ließen sich nicht so sehr auf die Zeit zurückführen, es handelte sich vielmehr um Auswirkungen der Belagerung und um die tiefergreifenden Nachwirkungen seiner Nichtwahl zum Ersten Abt des Ordens.
    Er weigerte sich, über das traurige Thema mit mir zu sprechen, und erging sich statt dessen in einer leidenschaftlichen Tirade gegen den neuen Führer der Grodnim, der seine Kämpfer von Erfolg zu Erfolg führte. Es handelte sich nicht einmal um einen Oberherrn aus Magdag. Der Mann war an der grünen Nordküste emporgewachsen wie ein Unkraut, das über Nacht entsteht. Sein Name, so hieß es, lautete Genod Gannius.
    Genod Gannius?
    Ich kannte den Namen Gannius. Ich hatte ihn für den Tag im Gedächtnis bewahrt, da ich Anstalten machte, die Ziele der Herren der Sterne zu ergründen. Hatte dieser Genod Gannius mit jenem Gannius zu tun, dem ich am Auge der Welt begegnet war?
    Meine Überlegungen gerieten ins Stocken, als ich Zenkirens nächste Worte erfaßte. Er hatte sich gesetzt und wirkte erschöpft und niedergeschlagen. Offensichtlich hatte er das Krozairdilemma erst einmal ausgeklammert; er schien zu dem Schluß gekommen zu sein, daß doch einiges für meine Version sprach, aus welchem Grunde auch immer, und wollte eine bessere Gelegenheit abwarten, den entscheidenden Beweis zu suchen. Seine Worte galten nun Genod Gannius und den Armeen der Grodnim, Streitkräfte, die er »neue« Armeen nannte.
    Ich hörte zu und spürte, wie eine seltsam beklemmende Ahnung mich beschlich. Ich möchte seine Schilderung nicht Wort für Wort wiedergeben, auch wenn mir das alles noch deutlich im Gedächtnis ist. Es lief darauf hinaus, daß die Grodnim eine neue und wirkungsvolle Kampfform gefunden hatten, die sie allerdings nicht den Oberherren von Magdag verdankten. Es waren Gerüchte im Umlauf. Genod Gannius hatte eine Armee trainiert und eine der typisch undisziplinierten, individuell kämpfenden zairischen Horden zerschlagen.
    Im einzelnen sah die Lage so aus: Stiegen die Zairer in die Sättel und trieben ihre Sectrixes zum Galopp an, stellte sich ihnen eine Mauer aus riesigen Speeren entgegen, raffiniert gehalten wie eine dicke Hecke. Versuchte die Infanterie mit geschwungenen Schwertern vorzugehen, wurden Armbrüste abgeschossen, und ein Hagel von Pfeilen ergoß sich über sie, durchschlug ihre Körper, warf sie zu den Überresten der Kavallerie. Die Armbrüste schossen einen Pfeil nach dem anderen ab. Das Schlachtfeld war mit Leichen übersät gewesen, und die grünen Banner flatterten siegreich.
    So war es mehrmals gewesen, bis sich schließlich die Zairer in der heutigen verzweifelten Lage sahen. Traten die roten Bogenschützen in Aktion, so setzten die grünen Reihen die Waffe des Feiglings ein, den verabscheuungswürdigen Schild.
    O ja, ich wußte Bescheid.
    Wer von Ihnen meine früheren Abenteuer am Auge der Welt kennt, meine Taten in den Slums von Magdag mit der Sklavenphalanx, den alten Voskschädeln, dem ist klar, was ich in diesem Augenblick empfand – Scham.
    Bei Zair!
    Ich hatte die Sklaven und die Arbeiter für den Kampf ausgebildet, damit sie eine Chance gegen die Oberherren hatten. Ich hatte sie trainiert im Umgang mit Lanze, Schild und Armbrust. Wir waren im Begriff gewesen, die verhaßten Oberherren zu schlagen, als es den Herren der Sterne gefiel, mich aus Magdag zu entführen und mich in Upalion abzusetzen, das östlich des Binnenmeeres liegt. Es hatte jetzt nach meiner Rückkehr nicht lange gedauert festzustellen, daß meine Ängste Wirklichkeit geworden waren – daß die Oberherren meine Freunde, die Arbeiter und Sklaven der Slums, besiegt hatten. Sie mußten gesiegt haben, sonst hätte es Magdag nicht mehr gegeben. Die unvermeidliche Konsequenz aus dieser Entwicklung sah ich nun vor mir.
    Wie blind ich gewesen war! Ein Idiot! Freunden hatte ich eine Waffe in die Hand gegeben – scharf, tödlich. Was für ein Dummkopf war ich doch!
    Es bedurfte keines Genies, um die Techniken zu übernehmen die die rebellierenden Sklaven eingesetzt hatten, auch wenn aus den Schilderungen geschlossen werden mußte, daß Genod Gannius durchaus ein militärisches Genie war. Es war

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