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Die Gezeiten von Kregen

Die Gezeiten von Kregen

Titel: Die Gezeiten von Kregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Burt Akers
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Gewebe wirkte zerschlissen, die roten Stickereien waren zum Teil aufgebrochen. Der Saum des weißen Mantels war schlammverkrustet.
    »Du hast mir etwas Wichtiges mitzuteilen?«
    Seine Stimme hatte den befehlsgewohnten Klang verloren. Im schwachen Lampenlicht versuchte er mich zu erkennen. Ich achtete darauf, daß Duhrras Schatten auf mich fiel.
    »Mein Name ist Dak, Pur Zenkiren. Ich bitte dich ...« – und ich äußerte einige Worte, die nur einem Krozair bekannt sein konnten – »hör mich unter vier Augen an.«
    Was immer aus diesem Mann geworden sein mochte, er blieb Krozair. Er hob die Hand, und die Wächter zogen sich zurück. Er starrte auf Duhrras Armstumpf.
    »Ja, Jernu«, sagte Duhrra, der in dem kaum beleuchteten Zimmer riesig wirkte. »Ich suche Hilfe bei Molyz dem Hakenmacher.«
    »Dazu braucht ihr meine Erlaubnis nicht.« Der Befehlshaber deutete auf mich. »Tritt vor, du, der du dich Pur Drak nennst, damit ich dich sehen kann.«
    »Ich habe nicht behauptet, ein Pur zu sein«, sagte ich. »Aber ich muß dich bitten, dir anzuhören, was ich zu sagen habe, ehe du eine Entscheidung fällst. Man weiß im Lande um deine Klugheit und deine Aufrichtigkeit. Ich erbitte dein offenes Ohr.«
    So glaubte ich einen mächtigen Lord ansprechen zu müssen, der das Kommando über eine Stadt führte – auch wenn sie belagert war. Ich wußte aus alter Zeit, daß Pur Zenkiren Wert auf eine blumige Sprache legte.
    »Du sprichst in Rätseln. Tritt vor, damit ich dich sehen kann! Sofort!«
    Da war er wieder, der alte Befehlston.
    Langsam trat ich ins Licht.
    Er starrte mich lange an.
    Dann ging er einige Schritte zu einem Tisch, der voller Listen und Landkarten war; auf einer Seite, neben der rußenden Öllampe, stand eine leere Flasche. Er stemmte die Hand auf das Holz, ohne sich zu setzen.
    »Warum rufe ich nicht die Wache? Bist du deinem Ib entkommen, um mich heimzusuchen? Bist du es wirklich? Nein, das kann nicht sein!«
    »Ich stehe vor dir, ein Unschuldiger, der schuldig gesprochen wurde. Denk zurück, Pur Zenkiren! Denk an das Deck eines magdagschen Ruderers, denk an die Blutströme der Oberherren, denk an einen Sklaven mit einer Fackel in der Faust, denk an Felteraz und Mayfwy und die Prisen, die wir nach Sanurkazz heimführten. Denk an Zy und die Treue und Kameradschaft – und dann sage mir von Mann zu Mann, von Angesicht zu Angesicht, Pur Zenkiren, ob Pur Dray wirklich ...«
    Er ließ mich nicht ausreden.
    Er brüllte: »Apushniad!«
    Er ließ mich nicht ausreden: er sprach meinen Satz zu Ende, auch er sprach das Urteil über mich.

18
     
     
    Vor meinem inneren Auge erschien eine Vision Delias. Klar, deutlich, unendlich anziehend. Meine Entscheidung stand fest.
    In der nächsten Mur mußten die Wächter ins Zimmer stürzen. Ich sprang auf Zenkiren zu, legte ihm energisch eine Hand auf den Mund und hielt mit der anderen seinen rechten Arm fest. Gleichzeitig lachte ich – ich brüllte vor Lachen, ich schrie meine Freude hinaus.
    »Aye!« brüllte ich. »Aye, Jernu, ist das nicht lustig?«
    »Äh?« machte Duhrra.
    »Lache, lache, Duhrra«, forderte ich ihn auf. »Nur ein wenig. Dein Lachen hilft uns aus der Klemme.«
    Zenkiren wand sich in meinem Griff. Doch er war entscheidend geschwächt durch Hunger und Entbehrungen. Ich hielt ihn fest. Ich beugte mich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »Hör zu. Wir waren einmal befreundet. Was mich angeht, so bleiben wir Freunde. Wenn ich jetzt sage, ich bringe dich um, wenn du noch einmal nach den Wächtern rufst, so würdest du rufen, das weiß ich – um der Bruderschaft willen.«
    Er rollte mit den Augen, und wir wußten beide, daß ich die Wahrheit gesagt hatte.
    »Der Azhurad ist ergangen. Ich bin nicht gekommen. Ich leugne ja nicht, daß ich versagt habe. Aber die Art meines Versagens erfordert doch Erläuterung.« Ich spürte Zenkirens Interesse, als ich mich nun daranmachte, meinen Fall vorzutragen. Es gab zwei Unmöglichkeiten, die einander ausschlossen. »Ich bin – war – ein echter Krozair. Ich bin gewillt, jeden zu töten, der mir das abstreitet. Trotzdem habe ich den Ruf nicht gehört. Welchen Ausweg gibt es aus diesem Dilemma, Zenkiren? Wenn du dich mit diesem Problem befaßt, beachte bitte zweierlei.
    Erinnere dich an den Tag in Pattelonia, als du mich batest, dir im Kampf in Proconia beizustehen. Du ließest ein Schiff kommen, und wir segelten los, aber da kam ein Unwetter, und der Donner grollte, und Blitze zuckten herab. Dir war klar, daß mir

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