Die Giftköchin
aus der Tasche und steckte sie in den Türspalt. Nach kurzem Klicken sprang die Tür auf. Leise trat der Einbrecher ein, lauschte, alles war still. Er tastete nach dem Lich t schalter an der Wand, knipste das Licht an und besah sich die Örtlichkeiten.
Jari stellte fest, daß er in einem Büro war. Es gab mehrere Zimmer, die Tische darin waren mit Papieren bedeckt, dazwischen standen Schreibmaschinen, die Regale enthielten Aktenordner. Die Papiere waren in irgendeiner komischen Sprache verfaßt, vielleicht Sp a nisch?
Er entdeckte eine kleine Küche, und welch Überr a schung, der Kühlschrank war mit Bierflaschen gefüllt! Hinter der Küche befand sich eine Art Besprechung s zimmer, es wurde von einem langen Tisch mit glänze n der Oberfläche beherrscht, an der Wand standen Schränke voller kostbar aussehender Bücher und in der Ecke eine Glasvitrine mit Kristallgläsern und einer ungeheuren Menge verschiedener Weinflaschen darin. Ein sagenhafter Ort!
Jari lauschte auf das stille Haus, bereit zur Flucht. Dann holte er sich Bier aus dem Kühlschrank und goß es in einen Kristallkelch. Er hob das Glas, verbeugte sich vor seinem Spiegelbild, das in der Glastür des Bücherschrankes schimmerte, und setzte den Kelch an die Lippen.
Zwei Stunden später war der glückliche Einbrecher bereits so betrunken, daß er aufgestützt und mit wirrem Haar an der Stirnseite des langen Besprechungstisches saß, vor sich Flaschen mit teuren Alkoholika, auf den Lippen ein verträumtes Lächeln. Er hätte am liebsten vor sich hingesummt. Nichts trieb ihn, bis zum Morgen war noch viel Zeit. Die Hand griff gewohnheitsmäßig nach dem Glas. War darin gerade Kognak? Oder Rum? In diesem Moment endete die nächtliche Feier. Die rauhe Wirklichkeit erschien in Gestalt eines Wachma n nes. Jari Fagerström stürmte ins Hinterzimmer, klem m te sich unter den einen Arm eine Schreibmaschine, unter den anderen einen schweren und wertvoll auss e henden Karton, dann rannte er die Treppen hinunter. Oben knallten Türen, und es wurde gerufen. Der Dieb flitzte auf die Straße und nahm Reißaus in Richtung Uudenmaanstraße. Keuchend traf er in Kakes Keller ein, zog die Tür hinter sich zu und setzte sich auf den Fu ß boden. Bevor er einschlief, lobte er noch seine Beute:
»Mensch, Kake, hier ist eine Schreibmaschine und ein Karton mit Aktien der argentinischen Staatsbank!«
Am Morgen öffneten sie Fagerströms gestohlenen Pappkarton; er enthielt keine Wertpapiere, sondern zweitausend Stück vorgedruckte Einladungskarten, wie sie die argentinische Botschaft an die Gäste ihrer D i plomatenempfänge zu verschicken pflegte. Außerdem lagen darin einhundertfünfzig fertig ausgefüllte Einl a dungen, in Umschlägen verschlossen und mit Briefma r ken beklebt: Es handelte sich um ein großes Essen, das in anderthalb Wochen im Restaurant »Kalastajatorppa« stattfinden sollte. Diese Einladungen schickten Jari und Kake keineswegs in der vorgesehenen Weise ab, im Gegenteil, sie trugen ihre zweifelhafte Beute wütend in den Müll und vergaßen dann die ganze Sache. Lediglich fünf Einladungskarten hatten sie herausgenommen und an die fiesesten Polizisten und Knastwärter in Helsinki und Uusimaa geschickt, mit argentinischer Unterschrift und, echt diplomatisch, an die Privatadressen der b e treffenden Personen.
Der Fall sorgte zwei Wochen später für einiges Aufs e hen in Diplomatenkreisen: Zu dem großen Festessen der Argentinier erschien nämlich kein einziger Ehrengast, abgesehen von fünf Streifenpolizisten und Vollzugsb e amten in Festuniform, die an der Tür vom »Kalastaj a torppa« ihre offiziellen Einladungen vorzeigten.
Als die Protokollabteilung des Außenministeriums die Spur der verschwundenen Einladungen zurückverfolgte, kam sie zu dem Ergebnis, das Post- und Fernmeldeamt sei schuld. Die Post bestritt den Verlust und die angebl i che Vernichtung der Sendung, aber die Öffentlichkeit hegte Zweifel. Allgemein und einmütig wurde der Rüc k tritt von Generaldirektor Pekka Tarjanne gefordert. Wahrscheinlich schickte er sein Rücktrittsgesuch auch per Post ab, doch es kam niemals an.
Die gestohlene Schreibmaschine erfüllte jedoch ihren Zweck. Kauko Nyyssönen schrieb in offiziellem Ton einen Brief an Linnea Ravaska. Er beglückwünschte die Empfängerin, die als Preis beim Publikumswettbewerb auf der letzten Gartenbauausstellung eine Schiffsreise nach Stockholm gewonnen habe. Kake fügte dem Brief eine Fahrkarte für die Hinfahrt mit dem Anrecht
Weitere Kostenlose Bücher