Die Giftköchin
ausgepreßt, hatte sie in ihrem gierigen, roten Mund gelutscht und schließlich die Kerne ausgespuckt. Auch Rainer hatte sie sich im Jahre 1938 für ein paar Wochen geangelt, doch Linnea hatte die Sache so geregelt, daß kein Skandal daraus geworden war. Tekla war ursprünglich die Tochter eines kleinen Holzhändlers aus Petersburg gewesen und hatte wohl auch russisches Blut in den Adern. Später hatte sie dreimal geheiratet, ihr letzter Mann war ein mit Lebe r flecken übersäter Typ namens Grönmark gewesen, er war an Krebs gestorben, im selben Jahr als der Kore a krieg zu Ende ging.
Über all diesen Erinnerungen vergaß Linnea fast das Vorkommnis von vorhin im Urnenhain. Wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt, das Kolumbarium zu verlassen? Sie ließ die Pistole aus ihrem Muff in die Tragetasche gleiten und erhob sich. Zögernd näherte sie sich dem Friedhof, dort war alles ruhig. Linnea ging in den Urnenhain. Lahtelas Asche war mit Rasen bedeckt.
Linnea kaufte bei dem Blumenhändler vor dem Frie d hof einen Strauß roter Rosen und brachte ihn ins K o lumbarium zu Tekla Grönmarks Gedenktafel. Sie fand, jene Schönheit mit dem wilden Lebenswandel habe es verdient, daß ihr eine alte Freundin – und frühere Ko n kurrentin – gerade Rosen brachte. Rosen sind die Bl u men schöner Frauen, Rosen werden den Huren aufs Grab gestellt, dachte Linnea mit wehmütigem Triumph, als sie den feurigen Strauß vor Tekla Grönmarks Urne betrachtete.
Zu Hause angekommen, rief sie Raija Lasanen an. Diese war erkennbar erschüttert, nicht so sehr wegen der Beisetzung der Asche ihres Freundes, als vielmehr wegen des Schusses, der im Urnenhain gefallen war. Raija erzählte Linnea, was passiert war. Kake und Jari seien der festen Überzeugung, jene schreckliche Alte aus Siuntio habe für den Zwischenfall gesorgt. Kake habe gesagt, er werde sich in der Uudenmaanstraße ve r schanzen, Fenster und Türen des Kellers verriegeln und an der Tür noch einen Balken anbringen. Sie habe den Eindruck, Kake fürchte um sein Leben.
»Und dann hat auch Jari gesagt, er will sich lieber e i ne Zeitlang nicht in Helsinki sehen lassen, er hat gesagt, er fährt nächstes Wochenende nach Rovaniemi zum Polarkreis-Rock. Er wollte, daß ich auch mitkomme, aber ich habe nein gesagt, außerdem bin ich noch in Trauer. Jari hat gedroht, wenn er wieder zurückkommt, bringt er die Alte um. Ich hab ’ richtig Angst, ich bin sicher, er macht es wirklich, Jari ist manchmal so schrecklich.«
Linnea versprach, die fehlende Summe der Begrä b niskosten auf Raijas Konto einzuzahlen. Sie sagte, sie werde Raija in der kommenden Woche anrufen. Das Mädchen bedankte sich mit gebrochener Stimme bei der reizenden Dame.
Am folgenden Tag brachte die Abendzeitung ein Inte r view mit dem Krematoriumsmitarbeiter, er berichtete von der Schießerei im Urnenhain. Er beklagte die Z u nahme von Unruhe und Gewalt in der Gegend. Früher sei auf dem Friedhof jedenfalls nicht geschossen wo r den. Die Jugend habe unerhört schlechte Manieren, nicht einmal mehr die Toten blieben von den g e schmacklosen Scherzen der jungen Leute verschont. Dazu gab es ein Bild von dem Mitarbeiter, der den rost i gen Spaten präsentierte. Der Spaten war in der Mitte von einem Geschoß durchschlagen, der Mann steckte seinen Zeigefinger durch das Loch.
17
In Rovaniemi beim Rockfestival hatte Jari Fagerström Zeit, über die Ereignisse der letzten Zeit nachzudenken. Kake Nyyssönens Tante war in diesem Sommer allzu lästig geworden. Die Alte hatte sich zum Widerstand entschlossen. Jari war sicher, daß sie ihnen nicht nur die Polizei auf den Hals gehetzt, sondern auch versucht hatte, sie alle zu vergiften, und daß sie schließlich sogar Pera getötet hatte.
Ein erwachsener Mann beißt nicht so plötzlich ins Gras. Es wäre nur interessant herauszukriegen, wie die Alte das mit Pera gedeichselt hatte.
Jari konnte seinen Aufenthalt in Rovaniemi nicht g e nießen, und das war Linneas Schuld. Das Festival war ein Fehlschlag, das Feeling nicht so, wie es sein sollte. Jari konnte nicht richtig abschalten, weil er ständig an Peras Tod denken und über die Sache mit Linnea nac h grübeln mußte. Sowie das Problem aus der Welt g e schafft wäre, könnte er sein Leben wieder genießen. Es wurde zu einer richtigen Zwangsvorstellung.
Für den Fall Linnea wäre natürlich eigentlich Kake zuständig, aber den kannte man ja, der verschob immer alles auf morgen, so daß er niemals etwas fertigkriegte. Jari kam zu der
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