Die Giftköchin
Weib.
Der junge Mann riß Linnea die Spritze aus den zi t ternden Händen, rollte den Ärmel auf und drückte sich die Nadel in seine Vene. Genießerisch pumpte er die Spritze leer. Das Blut begann sogleich, in seinem Hirn zu rauschen, der Stoff war wirklich echt, die Knie wu r den ihm weich, seine Kräfte schwanden, das Herz mac h te in der Brust einen Sprung, als sei es von einem Schuß getroffen worden. Der Körper erschlaffte, Jari Fagerström brach tot auf dem Deck zusammen. Linnea zog schnell die leere Spritze aus seinem Arm, rollte seinen Ärmel wieder ganz hinunter und flüchtete hinter das nächste Rettungsboot.
Der Körper des jungen Mannes lag in Embryostellung neben der Reling. Das Dröhnen der Schiffsdiesel wurde vom Rauschen des Meeres übertönt. Es war kalt und neblig. Linnea wußte, daß sie sich beruhigen mußte. Sollte sie hingehen und dem Schiffspersonal von der Sache berichten? Würde der Kapitän böse werden, wenn sie ihm von der Leiche auf dem Oberdeck erzählte? Sie fand das alles unsagbar schrecklich.
An den Tod gewöhnt man sich nie, dachte die Witwe Linnea Ravaska.
»Aber Gott sei Dank, du hast deinen Lohn gekriegt!« Der plötzliche Tod des jungen Mannes erleichterte und beschämte Linnea zugleich.
Forstmeister Erik Sevander von der Rauma-Repola AG hatte die ganze Nacht hindurch in seiner Kabine Karten gespielt mit seiner Spiel- und Bettpartnerin, der Kra n kenschwester Anneli Vähä-Ruottila. Sevander kam aus Stuttgart von der Arbeitsschutzkonferenz der Forstabte i lung des Europarats, an der kraft ihres Amtes auch die Krankenschwester Vähä-Ruottila, angestellt in derselben Firma, teilgenommen hatte. Jetzt auf der Rückreise hatten sie aus Spaß in Sevanders Kabine erst Kasino und dann Strippoker gespielt, der mit einem nackten Sieg beider Partner geendet hatte. Der Forstmeister, der bereits in die mittleren Jahre kam, hatte einen kurzen Nachtspaziergang an der gesunden Seeluft vorgeschl a gen. Das Paar stieg auf das Oberdeck, um das tosende Meer zu bewundern. Zu ihrem Unglück stolperten sie über Jari Fagerströms Leiche, sowie sie das Deck betr e ten hatten.
Obwohl Sevander einen guten Kognak nicht ve r schmähte, stieß es ihn ab, immer wieder Landsleuten zu begegnen, die so sinnlos tranken, daß sie anderen vor die Füße fielen. Sevander beugte sich über den Liege n den und rüttelte ihn. Kein Lebenszeichen. Sevander wurde ein wenig böse, er packte den Mann unter den Achseln und hob ihn hoch, lehnte ihn gegen die Reling und schlug ihm leicht auf beide Wangen.
»Die saufen wie die Schweine. Man sollte den Kerl ins Büro des Pursers tragen!« Sevander war ziemlich u n gehalten.
Die Krankenschwester fühlte Fagerströms Puls. Dem Paar dämmerte bald die finstere Wahrheit. In Sevanders Armen lag ein Toter; es handelte sich nicht um einen Rausch, obwohl der Mann nach Schnaps roch.
Forstmeister Erik Sevander erkannte, daß er ein ä u ßerst unangenehmes Problem im Arm hielt. Ein Tode s fall unter unklaren Umständen bedeutete automatisch gründliche Polizeiuntersuchungen, strenge Verhöre und zumindest in diesem Falle selbstverständliche Zweifel, deren Objekt eben Sevander wäre. Obwohl man den vom Strafgesetzbuch vorgesehenen Sanktionen mit ein bi ß chen Glück entgehen könnte, würde der Fall einen gewaltigen Skandal verursachen, sowohl in der Forsta b teilung als auch im Hauptkontor von Rauma-Repola, nicht nur wegen der Anwesenheit der Leiche, sondern auch der von Frau Vähä-Ruottila. Dasselbe betraf die Familienbeziehungen, Sevander war nur auf solchen speziellen Reisen ein freier Mann, seine Frau und die erwachsenen, moralisierenden Kinder, es waren drei an der Zahl und jedes, verflucht nochmal, gläubig, würden ein furchtbares Theater machen, wenn sie erfuhren, daß der treue Ehemann und liebevolle Vater in einem myst e riösen Todesfall verwickelt war und zuvor hemmungslos Unzucht betrieben hatte.
Als junger Forstpraktikant hatte Sevander auf dem Kemifluß beim Flößen gearbeitet, dort hatte er gelernt, unerschrocken zu handeln und auch die schwierigsten Probleme zu lösen. Wenn das Triftholz steht, muß es in Bewegung gesprengt werden, sonst schwemmt der Fluß die Stämme ans Ufer. Zu einer solchen Katastrophe läßt es der beherzte Flößer nie kommen.
Sevander erkundigte sich bei der Krankenschwester Vähä-Ruottila, ob der Mann tatsächlich tot sei, eindeutig und unwiderruflich? Sie untersuchte Jari Fagerströms Leiche gründlicher und versicherte bald,
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