Die Giftmeisterin
eigenartigen Gespräch, das wir führten.
Grifo nestelte an seiner Biberweste herum. Abwechselnd lächelte er, blickte wie ein trauriger Hund und fuhr sich mit den Fingern der rechten Hand durch die blonden Locken.
»Ihr möchtet Gerlindis besuchen?«, fragte ich, das beklemmende Schweigen durchbrechend.
»Ist Gerlindis hier?«
»Sie ist bei Berta, Burchards Gemahlin.«
»Ach so.«
»ja.«
»Sie ist also - nicht hier?«
»Nicht hier«, echote ich.
»Das ist sicherlich - gut - für Berta, meine ich. Und für Gerlindis natürlich auch. An einem solchen Tag sitzt man am besten im engen Kreis beisammen, nicht wahr?«
»Gewiss.«
»Und es ist bald Weihnachten.«
»Wie recht Ihr habt.«
Schweigen. Ich tat nichts, er tat nichts. Wir standen uns gegenüber wie zwei Fremde, die zufällig unter demselben Baum darauf warten, dass der Regen nachlässt.
Dann fragte ich: »Soll ich sie holen?«
»Nein, auf keinen Fall.«
Langsam kam ich wieder zu Verstand. Meine Unruhe blieb, doch ohne die Trugbilder um mich herum beherrschte ich sie. Ich glaubte zu verstehen, weshalb Grifo gekommen war.
»Ihr möchtet mit Arnulf sprechen?«, fragte ich in der Erwartung, Grifo wolle um Gerlindisâ Hand anhalten.
»Nein, mit Euch, Gräfin.«
»So? Aber - ich glaubte... Ihr seid doch wegen Gerlindis hier?«
»Ja.«
So langsam begann ich zu verstehen, weshalb die Beziehung der beiden nicht vorankam, denn ich hatte Gerlindis dringend gebeten, auf Grifos ersten Schritt zu warten, nicht ahnend, dass er in Liebesdingen ungefähr so forsch war wie ein Möbelstück. Teodrada hatte recht gehabt, als sie die Unterschiede zwischen dem Krieger Grifo und dem Brautwerber Grifo hervorgehoben hatte.
»Dann erklärt mir bitte«, sagte ich, »was Ihr von mir wünscht. Ist es ein Rat?«
»Ja. Das heiÃt - nicht genau. Nein, ein Rat, das kann man, glaube ich, nicht sagen.«
Ich beschloss, um Kopfschmerzen zu vermeiden, unschicklich direkt zu werden. »Wollt Ihr in Kürze um Gerlindisâ Hand anhalten, oder wollt Ihr das nicht?«
»Ich will es.«
»Na, also. Dann sind wir einen Schritt weiter.«
»Wobei - das kommt darauf an, ob - und vor allem, was...«
»Grifo, bitte! Ich hatte einen schwierigen Morgen. Arnulf fühlt sich nicht gut...«
»Dann komme ich vielleicht besser ein anderes Mal wieder.«
»Nein«, rief ich gebieterisch, »Ihr setzt Euch jetzt dorthin. Ja, genau dort. Ich hole uns etwas Wärmendes zu trinken, und wenn ich zurückkomme, was nur zehn Atemzüge dauern wird, werdet Ihr mir geradeheraus sagen, worum es geht. Und lasst Euch nicht einfallen, heimlich zu verschwinden, während ich weg bin.«
Ich hatte auf diesen jungen Mann, der im Ruf stand, die Barbaren wie Buschwerk niederzumähen, groÃen Eindruck gemacht. In der kurzen Zeit, die ich in der Küche verbrachte, um warmen, gewürzten Wein zu holen, war alles gut. Die
Dämonen waren verschwunden. Aber meine Hände, die vor sechzehn Stunden an der gleichen Stelle dieselbe Tätigkeit verrichtet hatten - nämlich Wein in Kelche zu füllen -, diese Hände kamen mir vor, als gehörten sie einem anderen Menschen, einer Frau, die ich nur kurz gekannt hatte, einer Mörderin, mit der mich gleichzusetzen mir schwerfiel.
Ich spürte, dass mir das Schlimmste erst noch bevorstand.
»So, hier ist der Wein. Trinken wir einen Schluck auf Gerlindis. Der Wein schmeckte klebrig süà und würzig. »Frei heraus, Grifo: Was kann ich für Euch tun?«
Auch Grifo hatte sich inzwischen gesammelt. Er griff in seine Weste und holte ein Pergament hervor.
»Gerlindis hat mir einen Brief geschrieben.«
»Sie hat - was?«
»Gestern Abend gab sie mir einen Brief. Es war so: Ich sah sie das Bankett verlassen und hatte gleich den Eindruck, dass sie sich mit mir treffen wolle. Das - haben wir vor meiner Verhaftung durch Euren Gemahl des Ãfteren gemacht, müsst Ihr wissen. Er fügte rasch hinzu: »Aber unsere Treffen bewegten sich immer im Rahmen des Schicklichen, Gräfin, das müsst Ihr mir glauben. Auch wenn es sich um heimliche Treffen handelte. Wir haben stets nur geredet und haben uns kleine Geschenke gemacht, beispielsweise Haarlocken oder...«
»Ich glaube Euch, Grifo. Und was war gestern?«
Er senkte den Kopf. Seine rote Gesichtsfarbe rührte gewiss
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