Die Giftmeisterin
bezogen, auf die ich später noch eingehen werde, und zum anderen auf die praktische Ausführung. Nun drängten sich andere Fragen auf. Was würde diese Tat aus
mir machen? Wäre ich fortan ein anderer Mensch? Würde mich die Last des Verbrechens niederdrücken?
Jede dieser Fragen kreiste um mich herum und schien eine listig aussehende Maske zu tragen, deren leises Gekicher ich hörte. Zweifellos war ich erschöpft von dem, was ich getan hatte, und diese Irrbilder wurden mehr und mehr eine Bedrohung.
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Ich schickte Gerlindis weg.
»Liebes, bringst du Berta bitte ihr Kleid zurück?«
»Aber Tante, Berta hatte es viele Jahre lang nicht mehr angehabt. Sie wird es nicht vermissen, wenn ich es behalte.«
»Hat sie es dir geschenkt?«
»Nicht ausdrücklich.«
»Dann bringe es ihr zurück, vielleicht schenkt sie es dir ausdrücklich bei der Gelegenheit.«
»Aber der Schnee liegt schon fast einen Schritt hoch und fällt und fällt...«
»Dann bleib doch einfach über Mittag bei Berta. Sie freut sich über jeden Besuch.«
»Ja schon, aber... Unter einem gelungenen Vormittag verstehe ich etwas anderes.«
»Liebes, wenn Berta dir ein Kleid schenkt, ist das eine Gabe, die du vergelten solltest mit etwas, das Berta erfreut.«
»Wenn nun aber...«
»Ja?«
»Es könnte doch passieren, dass ich- Besuch bekomme.«
Nun verstand ich. »Oh, in diesem Fall wäre ich selbstverständlich bereit, dich persönlich davon zu unterrichten.«
Mit diesem Versprechen wurde ich Gerlindis los. Die Magd und die Zofe schickte ich ebenfalls unter einem Vorwand weg.
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Nun war ich endlich allein mit meinen Fragen und Ãngsten, mit den Sinnestäuschungen, die sich mir näherten. Oder waren es keine Sinnestäuschungen? Sahen so die Vorboten des Teufels aus? Ich setzte mich nieder und hielt die Armlehnen des Schemels umklammert. Fieberte ich? Mir stand der Schweià auf der Stirn, aber mir war eiskalt. Die Kreaturen tanzten.
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Als eine Faust vier Mal gegen die Tür schlug, zuckte ich zusammen. Das Geräusch war derart dumpf und drohend, dass ich mich nur zögerlich erhob und zunächst einen Schritt zurücktrat, bevor ich zwei Schritte in Richtung der Tür ging.
Das Gelächter der Kreaturen wurde lauter. Sie tanzten nicht mehr um mich herum, sondern schüttelten sich vor Lachen.
Abermals schlug die Faust vier Mal gegen die Tür.
Ich war kaum in der Lage, mich zu bewegen. Ich dachte, Arnulf ist zusammengebrochen, das Gift hat ihn bereits umgebracht, nun erwartet dich das Unfassbare.
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Ich ergriff den Riegel und zog daran. Vor mir tat sich eine Schneelandschaft von sagenhafter Schönheit auf. Die halb fertigen Gebäude der Pfalz wirkten wie die Felsen eines winterlichen Gebirges. Wer auch immer an die Tür geschlagen hatte, war nicht mehr da.
Ich schloss die Augen, atmete die kalte Luft ein und genoss die Schneeflocken, die mir ins Gesicht trieben.
Dann bemerkte ich, wie sich ein Schatten vor das Tageslicht schob, das durch die Lider drang.
Noch bevor ich die Augen öffnete, entfuhr mir ein Schrei.
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»ICH BITTE UM Verzeihung, Gräfin. Ich hatte nicht vor... Ich dachte, es sei keiner zu Hause, darum ging ich wieder weg, und dann hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde und... Es tut mir sehr leid.«
An die ersten Augenblicke nach dem Schreck kann ich mich kaum erinnern. Ich habe nur noch dieses Gestammel im Ohr, aber was ich selbst gesagt oder getan habe, ist mir entfallen. Als Nächstes erinnere ich mich daran, wie ich mitten in der Wohnhalle stehe und den Raum mit meinen Blicken nach den Kreaturen absuche, die jedoch glücklicherweise verschwunden waren. Mein Gast muss wer weià was von mir gedacht haben.
»Komme ich ungelegen?«, fragte Grifo, der meinen beunruhigten Blicken gefolgt war.
»Nein«, log ich, ȟberhaupt nicht.« Ich versuchte, meine Gedanken zu sammeln, aber das war nicht einfach, und so war ich zunächst die schlechteste und seltsamste Gastgeberin, die man sich vorstellen kann. Ich bot Grifo weder einen Platz noch Wein an, und bei dem Lächeln, das ich zu zeigen versuchte, frage ich mich noch heute, ob es nicht eher einer Idiotin als einer Pfalzgräfin gehörte - wobei sich beides nicht unbedingt ausschlieÃt.
Sicherlich war Grifo von meinem Verhalten verunsichert, doch ich trug gewiss nicht allein die Schuld an dem
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