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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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nicht vom Wein her.
    Â»Gestern - nun ja. Ich konnte es kaum erwarten, sie endlich wieder zu sprechen, ihre Hand zu halten... Wäre ich nicht verletzt gewesen, hätte ich sie zum Tanz aufgefordert, und während des Tanzes hätten wir vielleicht einen Treffpunkt... Was ich sagen möchte: Ich wusste nicht, wo sie
auf mich warten würde, ich habe sie zunächst nicht gefunden, aber dann hatte ich eine Ahnung, und tatsächlich, da stand Gerlindis vor... vor...«
    Â»Vor Eurem Gemach.«
    Â»Woher wisst Ihr das?«
    Â»Ich hatte soeben auch eine Ahnung.«
    Â»Ja, da stand Gerlindis vor meinem Gemach. In der Hand hielt sie diesen Brief. Sie war wunderschön. Sie ist ohnehin schön, aber gestern Abend in diesem Kleid... Und dann sah sie mich mit ihren klaren Augen erwartungsvoll an, und ich... ich... ich habe kaum ein Wort herausbekommen. Ich sollte vielleicht hinzufügen, dass ich in solchen Dingen... Ich habe Schwierigkeiten...«
    Â»Was Ihr nicht sagt! Wer hätte das gedacht!«
    Â»So ist es - leider.«
    Â»Und was geschah dann?«
    Â»Ich machte ihr ein Kompliment, sie bedankte sich dafür und fragte, ob sie sich mein Gemach ansehen dürfe. Ich ließ sie eintreten, sie stellte mir einige Fragen und so ging es eine Weile hin und her. Und dann sagte ich vermutlich etwas Dummes. Ich sagte, dass es unpassend wäre, wenn wir zu zweit, also wenn sie und ich noch länger allein in meinem Gemach blieben, weil wir ja schließlich nicht Mann und Frau wären. Daraufhin war sie völlig verstört, drückte mir den Brief in die Hand und rannte fort.«
    Ich griff mir an die Stirn. Arme Gerlindis! Gesagt zu bekommen, man solle das Gemach verlassen, war sicher nicht das, was eine verliebte junge Frau hören wollte.
    Â»Sie hat etwas anderes von Euch erwartet, Grifo.«
    Â»Das weiß ich natürlich, und ich weiß auch, was. Und genau das hatte ich ihr doch damit sagen wollen.«
    Â»Was hattet Ihr sagen wollen?«, fragte ich.

    Â»Ich hatte ihr sagen wollen, dass ich den Zustand der Heimlichkeit baldigst beenden möchte und dass wir hoffentlich in nicht allzu ferner Zeit als Mann und Frau... Findet Ihr, ich habe mich zu kompliziert ausgedrückt?«
    Â»Das ist stark untertrieben. Die Sätze der griechischen Orakel waren, verglichen mit Euren, leicht verständlich.«
    Â»Das habe ich befürchtet. Ich bin... Ich kann einfach nicht... Ich stehe lieber zehn grässlichen Awaren gegenüber als einer Frau wie Gerlindis.«
    Â»Das ist noch so ein Satz, den Ihr besser für Euch behaltet.«
    Â»Seht Ihr! Da ist es mir schon wieder passiert. Bei Gerlindis, die ich verehre, sage und tue ich offenbar immer das Gegenteil von dem, was ich sagen und tun sollte.«
    Ein kurzes Schweigen trat ein.
    Ich erwiderte seufzend: »Und nun möchtet Ihr, dass ich Euch den Brief vorlese?«
    Â»Wäre es ein Brief wie jeder andere, hätte ich einen Schreiber darum gebeten. Aber bei einem solchen Brief... Wieso hat Gerlindis nicht mit mir gesprochen?«
    Ich konnte Gerlindis gut verstehen, vor allem, nachdem ich Grifo besser kennengelernt hatte. Mit Grifo über Gefühle zu sprechen, etwas aus ihm herauszulocken und ihn zum nächsten Schritt zu bewegen, das stellte ich mir wie das Graben in hart gefrorenem Boden vor. Aber ich hatte auch meinen eigenen Scheffel zu dieser Situation beigetragen, als ich Gerlindis, dem Drängen Arnulfs nachgebend, andere Möglichkeiten, Grifo zu sehen, zuvor verbaut hatte. In einem Brief sah sie das ideale Mittel, sich zu offenbaren, ohne vor Scham im Boden zu versinken, und sich zugleich wohlüberlegt und in Ruhe auszusprechen. Wie ich sehen konnte, umfasste der Brief immerhin eine vollgeschriebene Seite.

    Â»Ich wusste nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte, Gräfin. Wenn Ihr den Brief lest, bleibt es wenigstens in der Familie.«
    Â»Was ist mit Gerold, Eurem Vater? Er steht Euch viel näher, und er kann lesen und schreiben.«
    Â»Ja, seltsam, nicht wahr? Für einen richtigen Mann ziemt sich das nicht. Buchstaben sind etwas für Frauen und Mönche.«
    Da war ich gänzlich anderer Meinung, und ich muss sagen, dass mir der Stammler besser gefallen hatte als der Buchstabenverächter. Wer nichts für Buchstaben übrighatte, hatte auch nichts für diejenigen übrig, die mit ihnen umzugehen wussten. Doch schließlich ging es nicht um mich, sondern um Gerlindis.
    Â»Was ist

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