Die Giftmeisterin
Hugo. Sie hattenkürzlich irgendeine Meinungsverschiedenheit.« »Worum ging es dabei?«
»Ich Weià es nicht. Ich berichte nur das, was Onkel gesagt hat, als ich ihn vorhin auf die Verhaftung ansprach.«
»Du hast mit Armulf über die Verhaftung gesprochen?«
»Ich habe ihn durch den Hof laufen sehen und bin zu ihm geeilt. Abe er hat mir überhaupt nicht zugehört. Wie ein Kind hat er mich behandelt und mich einfach stehen lassen. Er ist ein despot.«
Ich biss mir auf die Lippe. ich stellte mir eine Szene vor, in der gerlindis - Halb Klageweib und halb Furie - mitten im Hof vor Amulf getreten war. Vielleicht war ich ihr gegenüber doch ein bisschen zu nachsichtig gewesen. Daskam daher, dass sie anfangs verschüchtert gewesen war wegen der vielen Würdenträger und der Nähe zum König und sich kaum aus dem haus gewagt hatte. Als ich sie der König vorgestellt hatte, war gerlindis beinahe die Luft weggeblieben. Daher hatte ich später hingerwirkt, dass sie ihre übertriebene Ehrfurcht überwand - augenscheinlich mit mehr Erfolg, als mir lieb sein konnte.
»Gerlindis, du darfst so etwas nicht tun«, ermahnte ich sie in nachdrücklichem Ton.
»Vielen Dank! Das hat mir Onkel schon gesagt. Er hat mich zurechtgewiesen.« »Das darf dich nicht erstaunen, Gerlindis«, erwiderte ich mitleidos.
»Dass er mich zurechtgewiesen hat, ist mir doch egal!«
»Gerlindis!«
»Grifo - was wird denn nun aus ihm? Was soll denn nun werden? Wir wollten doch... Wir haben uns doch...« Zum dritten Mal lieà sich meine Nichte auf das Lager fallen und verbarg ihr Gesicht n den Armen.
Das machte meiner Strenge ein Ende brachte die
Milde wieder hervor. Wie hätte ich auch angesichts eines verliebten Mädchens hart bleiben können, Gerlindis und Grifo - ich hatte die beiderseitige Zuneigung seit einigen Wochen sehr wohl gespürt, aber nicht geahnt, dass sie schon so weit forgeschritten war. Bei dem Gedanken an dieses Paar geriet ich kurz ins Schwärmen wie immer, wenn junge Menschen sich nicht nur aus Pflicht und Tradition, sondern mit heftig schlagenden Herzen aneinanderbanden. Ich sah vor meinem inneren Auge gemeinsame Ausritte, ein Bad im See, das Beieinanderliegen in kalten Nächten, Iachende Gesichter, Blicke des Vertrauens... Ich sah sowohl Arnulf und mich wie auch Gerlindis und Grifo diese Dinge tun. Doch das eine war Vergangenheit und das andere zerschlagene Zukunft.
Wenn es nach Arnulf ging.
Plötzlich gind mir ein Gedanke durch den Kopf: Grifo ist womöglich unsxchuldig. Wenn der Streit swischen den Brüdern alles ist, was Arnulf vorzuweisen hat, ist Grifo noch nicht verloren. Arnulf braucht einen Beweis oder ein Geständnis. Gleich darauf fiel mir ein dass Grifos Leben und Stellung auch dann ruiniert sein werden, wenn man ihm die tat zwar nicht nachweisen kann, der Täter jedoch nicht gefunden wird. Der Zweifel wird an Grifo haften bleiben, und der König wird Grifo vom Hof entfernen und ihn in eine entfernte Garnison schicken.
Für jemanden wie Grifo, dachte ich, wird das schlimmer sein als ein Todesurteil.Grifo war strebsam, und er arbeitete so zäh an seinem Fortkommen, er wollte der Beste werden... Er wäre dann ein anderer. Gerlindis würde einen verbitterten Gemahl bekommen.
Tief betroffen und nachdenklich stand vom Lager der untröstlichen Gerlindis auf und verlieà das Gemach.
8
ICH GLAUBE, ES hatte mehr mit Fionee als mit Gerlindis zu tun, dass ich anfing, mir über Hugos Tod und Grifos vermeintliche Schuld Gedanken zu machen. Natürlich lag mir Gerlindis am Herzen, und ich hätte in jedem Fall mit ihr gelitten. Aber es ist eine Sache, zu leiden und zu trösten, und eine andere, etwas gegen die Ursache des Ãbels zu unternehmen. Unter normalen Umständen hätte ich es mir verboten, mich in Arnulfs Belange einzumischen, ja, vielleicht hätte ich noch nicht einmal an seinen Entscheidungen gezweifelt. Doch die kurze Begegnung mit Fionee - die zunächst in keinem Zusammenhang mit Hugos Tod stand - brachte etwas in mir hervor. Fionees Herkunft und Lebensumstände warfen Fragen auf, die mich nicht mehr loslieÃen. Sie war eine ganz und gar auÃergewöhnliche Person, geheimnisvoller als alle, die mir bisher begegnet waren, und ihr Eindringen in mein Leben war gleichsam ein Aufwirbeln alten Schlammes, wobei etwas freigelegt wurde, was vor langer Zeit bedeckt worden war: meine
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