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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Betrog eine Ehefrau ihren Mann oder ein Ehemann seine Frau oder beide ihre Gatten? Waren es Unverheiratete, deren Stand zu unterschiedlich war, wie beispielsweise eine Küchenmagd und ein hoher Beamter? Ich dachte an die königlichen Prinzessinnen, die sich nach Männern verzehrten, die ihr Vater ihnen nicht gönnte.
    Und dann hörte ich ein feines Klimpern und Klirren, wie es nur kostbarer Schmuck verursacht. Das Geräusch stammte - wenn ich mich nicht sehr täuschte - von einem Armband, an dem an Perlenfäden einige fein gearbeitete Goldblätter hingen. Auch wenn ich selbst kein solches Stück besaß, weil es viel zu teuer gewesen wäre, kannte ich diese Art von Schmuck, der nur von den Reichsten und Edelsten getragen wurde. Mir fielen wieder die Prinzessinnen ein.
    Ein weiteres Mal hörte ich das Geräusch eines Kusses, was meine Meinung verfestigte.
    Bald darauf verließ das Paar die Kapelle, zuerst der eine, dann der andere, und ich war wieder allein.
    Allein - das Wort trifft es. Nun war ich tatsächlich allein, zum ersten Mal in meinem Leben ohne einen Menschen, ohne eine innere Stimme. Die Augen des Kindes,
die ich vorhin in der Kapelle zu sehen gemeint hatte, erschienen mir nicht noch einmal. Meine Angst und meine Zweifel waren einer großen Ermattung gewichen, und ich verstand, dass ich im Haus Gottes keine Antworten finden würde. Was hatte ich erwartet? Dass Gott mir gut zuredet, einen Mord zu begehen? Jeder würde mir sagen, dass es falsch wäre: Berta, Eugenius, der Papst, die Mutter Maria, Gott... Mein Wille und mein Gewissen setzten sich jedoch nur teilweise aus den Vorstellungen anderer zusammen; sie waren auch unabhängig, meine eigenen Geschöpfe und Gebieter.
    Â 
    In der angenehmen Wärme des Hauses nahm ich sogleich die unangenehme Anwesenheit von Gerlindis und Berta wahr, schlimmer noch, die störende Heiterkeit. Gerlindis war aufgekratzt wie - beinahe hätte ich wie eine Verliebte geschrieben. Gerlindis war eine aufgekratzte Verliebte, an jenem Abend mehr als je zuvor.
    Â»Tante, Tante, da bist du ja. Du wirst nicht erraten, was passiert ist. Grifos Bein ist weniger schwer verletzt als gedacht, er kann schon wieder auf Krücken laufen, er nimmt am morgigen Bankett teil, ist das nicht großartig, Gerold war hier, kurz nachdem du zu deinem Spaziergang aufgebrochen bist, und hat mir die freudige Nachricht gebracht, wenn das nicht das Zeichen ist, von dem du gesprochen hast, ich meine, es ist doch eine ziemlich eindeutige Aufforderung, ebenfalls zu erscheinen, wenn Gerold eigens deswegen...«
    Diese vor mir tänzelnde Quellnymphe hörte überhaupt nicht mehr auf zu sprudeln. Sie erkundigte sich weder nach meiner stundenlangen Abwesenheit, noch bemerkte sie meinen Zustand, der alles andere als robust war. Ich
musste kreidebleich und todmüde ausgesehen haben, was wohl jedem Bewohner der Pfalz aufgefallen wäre, nur eben Gerlindis nicht.
    Â»... brauche ich natürlich ein wunderschönes Gewand für morgen Abend. Was ich besitze, ist bei Weitem nicht gut genug, und so schnell lässt sich kein neues Gewand herbeibringen. Du hast zwar die richtige Figur, aber du bist zu groß, als dass du mir eines von deinen Kleidern borgen könntest, ich würde andauernd über den Saum stolpern und sähe dann wie eine Bekloppte aus, und weil ich mich nicht getraute, die Prinzessinnen zu fragen, habe ich mich an Berta gewandt, die genau die für mich passende Körpergröße und Figur hat und mir deshalb seit heute Nachmittag hilft, etwas für mich zu finden, worin ich Grifo gefalle und...«
    Mein Blick fiel ohne Interesse auf die zwei Dutzend Kleider, die in der Wohnhalle verstreut herumlagen.
    Â»Was tut ihr hier eigentlich?«, fragte ich verwirrt.
    Â»Tante, das erzähle ich gerade. Berta hat mir schöne Kleider mitgebracht, die sie schon seit langer Zeit nicht mehr trägt, und ich probiere eines nach dem anderen an. Wie gefällt dir das, das ich eben gerade angezogen habe, ich bin mir mit dem Blau nicht sicher, es ist ein bisschen zu blau, findest du nicht, aber die anderen neun, die ich schon anhatte, haben mich auch nicht so ganz überzeugt, und nun haben wir noch ungefähr zwölf, die ich...«
    Berta unterbrach Gerlindis. »Ermengard, du siehst nicht wohl aus. Komm, setz dich.« Dann entdeckte sie die Schürfwunde an der Wange. »Gütiger Himmel, du bist ja verletzt.«
    Â»Ich bin

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