Die Giftmeisterin
das von König Karl - ungeheuerlich. Ich sah Arnulf und Emma Seite an Seite, anschlieÃend Berta, dann Gerlindis. Fionee erschien und verlosch. Ich scheute wirklich vor niemandem zurück. SchlieÃlich sah ich mich selbst - gar nicht so unpassend, da ich in Gedanken längst zur Mörderin geworden war.
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ICH WACHTE VOR Berta auf. Dem Zustand meines Nachtlagers zufolge hatte ich mich hin und her geworfen, und das erklärte auch, weshalb sich meine Gesichtshaut anfühlte wie zerknittertes Pergament.
Es war noch dunkel, doch die ersten Hähne krähten bereits. Ich kletterte über Berta, löste die Ziegenhaut vom Fenster und atmete die Schneeluft ein. Binnen weniger Momente fühlte ich mich erfrischt. Die Anarchie des Halbschlafs schüttelte ich ab, meine Gedanken sortierten sich, und meine Kräfte kehrten zurück.
Zwei Dingen sah ich an diesem Morgen fest ins Auge. Das eine war, dass dem unbekannten Mann, den ich mit Mathilda in der Kirche gesehen, besser gesagt gehört hatte, eine Schlüsselrolle zukam. Er war mit Mathilda kurz vor ihrem Tod zusammen gewesen und war ihr heimlicher Geliebter. Als Konkubine des Königs war jeder andere Mann, gleich welchen Standes, für sie verboten. Grifo konnte ich als Liebhaber ausschlieÃen, ich hätte seine Krücken gehört. Und der König hatte keine Veranlassung, sich heimlich mit Mathilda zu treffen. Ansonsten kam jeder Mann in Frage, der in der Pfalz wohnte oder hier ein und aus ging.
Das Zweite war, dass ich etwas begriff: Dem eigenen Verbrechen zu entfliehen, das ist wie bei einem Schlangenbiss, wenn man allein unterwegs ist. Je schneller man läuft, um sich zu retten, desto unerbittlicher rast das Herz dem Tod
entgegen. Verharrt man hingegen bewegungslos, stirbt man langsam. Einmal gebissen, gibt es demnach kaum Hoffnung, das Gift aus dem Körper herauszubekommen. Ich trug Gift in mir. Ich trug Gift bei mir.
Die dunkelgraue Welt erhellte sich langsam, irgendwo hinter Nebel und Wolken stieg die Sonne über den Horizont. Es war Tag, der Tag der Ankunft des Papstes und der Tag, an dem ich meinen Mord beging.
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Ein kräftiger und frostiger Wind lieà die Flaggen wehen. Sie hingen an allen Mauern und Gebäuden, am Königsturm, der Kapelle und den Stallungen, am Torbogen und dem Frauenhaus und waren ein prächtiger Anblick. Zur Morgenmesse war die Kapelle mit Menschen gefüllt wie nie zuvor. Keiner der Beamten und Offiziere und keine der edlen Frauen fehlte. Dass der Heilige Vater in wenigen Stunden eintreffen würde, war Grund genug, um sich mit einem morgendlichen Segen auszustatten, doch der neuerliche Einbruch der Gewalt in das ruhige Hofleben war ein weiterer Anreiz dafür, und kein geringerer.
Man erwartete Worte des Königs im Anschluss an die Messe. Welchen Einfluss würde Mathildas Ermordung auf den geplanten Empfang des Oberhirten haben? Welche MaÃnahmen würden getroffen werden? Würde der König sich betroffen zeigen angesichts des Todes einer seiner Konkubinen?
Tatsächlich sah Karl sich genötigt, Stellung zu nehmen. Er hielt eine, wie ich fand, königliche Rede, was die Frage beantwortet, ob er persönliche Betroffenheit zeigte. Das tat er nicht im Mindesten. Es war, als wäre der Stallmeister gestorben. Ob er bloà Rücksicht nahm auf die Anwesenheit Liutgardes, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen,
aber mein Gefühl sagt mir, dass Mathilda für ihn wirklich nicht mehr bedeutete als der Stallmeister, vermutlich weniger, wacht der Stallmeister doch über Karls geliebte Pferde, während Mathilda nur ein politisches Pfand und Zeichen seiner Oberhoheit über Italien war. Seine Rede beschränkte sich darauf zu erklären, dass man an jeder Pforte, vor jedem Haus, in jedem Gang, am Fuà und Ende jeder Treppe und vor jedem Gemach ab sofort und bis auf Weiteres eine Wache aufstellen werde. Ferner werde das für den Abend vorgesehene Bankett stattfinden. Für diese MaÃnahmen hatte ich volles Verständnis. Sicherlich war es unerfreulich, am Tag nach dem Tod Mathildas zu feiern, doch was wäre die Alternative gewesen? Einem Papst, der in Rom gerade einem Mordanschlag entkommen war mitzuteilen, ein wahnsinniger Mörder treibe in der Pfalz sein Unwesen und deswegen unterblieben alle Festlichkeiten?
Der König belieà es bei diesen knappen Ankündigungen und fügte, ganz am Ende, noch rasch hinzu, dass Mathilda nach Rom
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