Die Gildal Saga (Die Gildal Saga (Sammelband)) (German Edition)
verrückt!
Wenn sie ihr Messer wiederhaben wollte, dann hatte das eine Hochzeit zur Folge. Wenn sie seinen Anweisungen folgte oder auch nicht, hatte das einen Kuss zur Folge. Und jetzt bewachte er sie auch noch wie einen Schwerverbrecher. Fiona konnte genau sehen, wie er am Baumstamm lehnte, so wie heute Morgen. Wie konnte man so nur schlafen? Das war einfach nicht natürlich.
Luther bekam jedes kleine Rascheln, jede Bewegung des Mädchens mit. Ihm war klar, dass sie mit seinem Verhalten am heutigen Tag zu kämpfen hatte. Das hatte er nämlich selbst auch. Er konnte es nicht fassen, dass er nichts tat, um Harmonie in ihr Verhältnis zu bringen. Ganz im Gegenteil, er reizte die kleine Lady, stritt mit ihr und nahm dann auch noch die Gelegenheit wahr, sich ihr körperlich zu nähern.
Er sollte sich nur um ihr Problem mit den Gesetzlosen in ihrer Burg kümmern. Aber das was er tat, hatte kaum noch etwas damit zu tun. Verdammt, er war schon wieder versucht, ihr irgendeine Anweisung zu geben, nur damit er sie zur Strafe oder zur Belohnung, küssen konnte. Das war total verrückt und er sollte dieses seltsame Verhalten schnell wieder in den Griff bekommen. Schließlich passte sie gar nicht zu ihm. Allein ihr Aussehen, war so wenig einem Mädchen angepasst. Nicht zu vergessen, ihr Wagemut und diese furchtbare Angewohnheit, immer Recht behalten zu wollen. Alles Eigenschaften, die im krassen Gegensatz zu seinem Leben standen.
Er war der ruhige Typ, ausgeglichen, beherrscht. Er gab Befehle, die respektiert wurden und er führte schon seit Jahren die heimatliche Festung. Er stritt nicht mit anderen, zumindest sehr selten, und er ließ sich eigentlich auch nicht zu so impulsiven Handlungen hinreißen, wie junge Edelfräuleins zu küssen.
Eine erneute Bewegung des Mädchens lenkte Luther von seinen Überlegungen ab. Er hörte ihren unterdrückten Seufzer und war sich klar, dass sie immer noch nicht schlafen konnte. Und wenn sie schon nicht schlief, dann konnte er sie auch ruhig ein wenig ausfragen, um die Zeit totzuschlagen.
„Warum hast du eigentlich so kurze Haare?“, riss Luther Fiona aus ihren eigenen trüben Gedanken.
Sie schreckt auf, obwohl sie bisher noch kein Auge zugetan hatte. Wie kam er nur so unvermittelt auf diese Frage? Sie war auf der Hut, da ihr Luthers Verhalten an diesem Tag sowieso schon nicht geheuer war.
„Warum wollt Ihr das wissen?“
„Perfide Neugier. Ich frage mich, was ein Mädchen dazu bringt, sich so zu verunstalten, um dann auszusehen, wie eine struppige Feldmaus.“
Verunstalten? Das war nicht verunstaltet!
„Es ist sehr praktisch!“, erklärte Fiona todernst. „Man spart eine Menge Zeit damit und es passt besser zu den Sachen, die ich gerade trage.“
Luther war enttäuscht. Hätte sie sich nicht irgendeine tragische Geschichte ausdenken können? Ein schweres Fieber, das zur Folge hatte, dass ihr Haar abgeschnitten wurde. Oder ein Unfall, bei dem sich ihr Haar so verklebt hatte, dass es nicht mehr zu retten waren. Aber nur, weil es praktisch war und zu ihrer Kleidung passen sollte, das war enttäuschend.
„Warum hast du denn überhaupt deinen Kleidungsstiel gewechselt?“, ging Luther dem Thema weiter nach.
„Das war auch, weil es so viel praktischer ist. Man kommt einfach schneller voran. Und Ihr wisst doch, diese schmutzigen Rocksäume ziehen den Dreck überall mit hin.“
Flunkerte sie? Irgendwie hatte Luther gerade das Gefühl, als würde sie sich einen Scherz mit ihm erlauben. Vielleicht sollte er versuchen, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.
„Dir ist schon klar, was dich erwartet, wenn ich herausfinde, dass du mich angelogen hast?“
Würde sie jetzt ihre Aussage korrigieren? Scheinbar nicht, da von ihrer Seite kein Laut kam.
„Okay, wenn du nicht willst, dann frage ich eben deine Leute!“
Noch immer keine Reaktion.
„Ich kenne noch andere Arten, zu küssen. Willst du es darauf ankommen lassen?“
Immer noch keine Reaktion. Entweder war sie extrem mutig, extrem stur oder begierig darauf, von im geküsst zu werden. Luther würde die letzte Möglichkeit vorziehen. Dass sie sich ihm nur widersetzte, um erneut in den Arm genommen zu werden. Aber da hoffte er leider falsch. Denn als er seinen Platz verließ, um zu ihr zu gehen, musste er feststellen, dass sie während der Unterhaltung eingeschlafen war.
* * *
Für Luther begann der nächste Morgen mit einem Schlag in die Magengegend. Einem ziemlich kräftigen Schlag in die Magengegend. Und es war auch nicht
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