Die Gildal Saga (Die Gildal Saga (Sammelband)) (German Edition)
Selbst wenn es sich so zugetragen hatte, wäre es unritterlich, das auch nur anzudeuten. Deshalb konnte sie Calebs Erklärung auch nicht wirklich glauben.
„Ihr könnt sicher sein, ich habe nicht angefangen“, versuchte er sich sogar zu verteidigen. Gillians Skepsis blieb, auch als Caleb die Begegnung weiter ausschmückte. „Der Kerl, der für das hier verantwortlich ist, war ein wenig jähzornig. Und er hat ohne Vorwarnung zugeschlagen, sonst würde ich jetzt nicht so aussehen!“
„Heißt das, Ihr habt nicht zurückgeschlagen?“ Gillian wollte sehen, wie weit er seine Lüge noch ausbauen würde.
„Ich war in der Unterzahl, deshalb habe ich den Schlag auch hingenommen. Schließlich musste ich ja noch irgendwie nach Hause kommen. Und glaubt mir, nach einer ausgedehnten Prügelei kann ein Ritt ziemlich schmerzhaft sein!“
Um das zu demonstrieren, humpelte Caleb an Gillian vorbei und setzte sich an den Tisch. Vielleicht stimmte diese Geschichte ja doch. Schließlich hatte sie nichts getan, was ihren Gastgeber so hätte verletzen konnte, dass er humpeln musste. Vielleicht war es ja besser, das Thema vorerst ruhen zu lassen, vor allem wenn Caleb ihr keine Schuld an seinem Zustand gab. Darum wechselte sie lieber das Thema.
„Habt Ihr Eure Geschäfte erfolgreich abschließen können, Caleb?“, lenkte Gillian das Gespräch auf neutralen Boden.
„Sicher, ich sagte Euch ja bereits, dass ich alle Trümpfe in der Hand habe. Der Vertrag ist unterzeichnet, und ich werde mich bemühen, ihn zu erfüllen.“
Da der Tag ein bisschen schlecht angefangen hatte, fand Gillian, sie müsste das irgendwie wiedergutmachen. „Ich bin mir sicher, Ihr werdet Erfolg haben, Caleb.“
„Das hoffe ich auch!“, entgegnete Caleb, bevor er sich nach Gillians vergangenem Tag erkundigte.
„Ich war erstaunt, Euch gestern Nacht hier schlafend vorzufinden. Hat Euch Euer Knöchel geschmerzt? Konntet Ihr die Treppe nach oben nicht alleine bewältigen?“
Gillian schüttelte den Kopf. „Das war nicht das Problem. Der Bursche, den Ihr mir geschickt habt, hätte mir gerne geholfen, aber ich fand es nicht richtig.“
„Was wäre daran falsch gewesen, sich nach oben bringen zu lassen?“ Caleb verstand Gillians Beweggründe nicht. „Dexter hätte jeden Eurer Befehle befolgt. Er hätte es ganz sicher geschafft, Euch nach oben zu tragen.“ Caleb vertraute auf das Geschick des jungen Stallburschen.
„Darum ging es nicht. Ich fand es nur nicht richtig, Euch Euer Bett wegzunehmen, wenn man mir gleichzeitig mitteilt, dass keiner der anderen Räume vorbereitet ist.“
„Ich dachte eher, Ihr würdet es als gerechte Strafe für mich ansehen, wenn ich im Stall schlafen müsste. Schließlich habt Ihr auch schon mit Geschirr nach mir geworfen!“
Musste er sie daran erinnern? Jedes Mal, wenn sie aufeinander trafen, führte sie sich auf wie eine Verrückte. Ihre Brüder würden sie eine ganze Woche in ihr Zimmer einsperren, wenn sie davon erfuhren. Ihre Brüder... Oh, verdammt, ihre Brüder! Sie hatte doch tatsächlich für kurze Zeit vergessen, was sie hierher geführt hatte.
„Was mache ich denn jetzt?“, stellte Gillian sich selbst eine Frage, die Caleb dank der vorangegangenen Unterhaltung völlig falsch verstand.
„Ich würde vorschlagen, Ihr benutzt das einzige, zurzeit verfügbare Schlafzimmer so lange, bis wir eine andere Lösung gefunden haben. Ich komme schon irgendwie zurecht. Bei einem Kampfeinsatz übernachtet man ja auch da, wo sich gerade eine Gelegenheit findet.“
Gillian sah Caleb verwirrt an. Wovon sprach er jetzt gerade? War ja auch egal. Sie hatte viel schwerwiegendere Probleme zu bewältigen als einen Schlafplatz für die nächste Nacht zu finden. Sie musste diese verkorkste Situation wieder auf die Reihe bringen, die sie durch ihre überstürzte Flucht verursacht hatte.
„Ich muss zurück!“, erklärte Gillian überraschend, und die Worte verursachten ihr selbst Magenschmerzen.
„Ach ja?“, fragte Caleb ganz interessiert nach. „Ihr MÜSST zurück? Das heißt, Ihr wollt nicht zurück?“
„Ihr kennt meine Brüder nicht“, teilte Gillian ihm mit, als ob das alles erklärte.
„Ich nehme an, das könnte ein Vorteil sein?“
„Im Augenblick schon!“
„Nun, warum vergesst Ihr Eure Brüder dann nicht einfach für ein paar Tage?“, schlug Caleb vor.
„Was meint Ihr mit vergessen ?“
„Ich nehme an, dass Ihr nicht darauf versessen seid, ihnen jetzt zu begegnen. Zumindest nicht, bis der erste Ärger
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