Die Gildal Saga (Die Gildal Saga (Sammelband)) (German Edition)
anderen Licht erscheinen. Welche falschen Annahmen waren noch dadurch entstanden, dass jeder nur einen Teil der Wahrheit kannte? Für Gillian waren Caleb und Ravenwood zwei völlig verschiedene Personen, die nicht das Geringste miteinander zu tun hatten. Und für ihre Brüder war er derjenige, der für Gillians Trauer und ihren Schmerz verantwortlich war.
Wussten Luther und die Drillinge überhaupt etwas von den Gefühlen, die Gillian wirklich für ihn, Caleb, hatte? Und der Überfall? Wenn Gillian dachte, er wäre dabei umgekommen, stimmte vielleicht auch seine Vermutung nicht, dass sie misshandelt und geschändet wurde. Schließlich hatte keiner der Männer auch nur eine Andeutung in dieser Richtung gemacht. Nur den mangelnden Schutz warf man ihm vor. Und das, was er Gillian angeblich angetan hatte.
Aber was, wenn das alles nur ein großer Irrtum war? Was, wenn Gillians Verhalten nur aus Trauer um ihn entstanden war?
Caleb musste versuchen, das Rätsel zu lösen. Er musste die Tatsachen zusammentragen, die zu diesem Durcheinander geführt hatten. Jetzt! Sofort! Ehe all diese Ungereimtheiten den Graben zwischen ihm und Gillian noch vertieften.
* * *
„Ich habe Gillian ins Bett gebracht“, erklärte Thaddäus, als er zu seinen Brüdern in Luthers Arbeitszimmer stieß. „Dieser komische kleine Hund hat mich doch tatsächlich angeknurrt, als ich ihn rausbringen wollte“, schüttelte er weiter den Kopf.
„Ravenwoods Hund“, bemerkte Luther düster. „Was war los mit Gillian, Thad?“
„Ich weiß es nicht. Als man mich holte, kam sie gerade wieder zu sich und dieses kleine Fellbündel sprang um sie herum wie um einen großen leckeren Knochen. Gilly hat das Vieh geherzt und gedrückt, als gäbe es kein Morgen!“
„Das soll einer verstehen.“ Theo schüttelte den Kopf. „Wie war ihr seelischer Zustand?“
„Seltsam“, gab Thad zu. „Sie hat geweint, sah dabei aber glücklich aus.“
Das gefiel Luther gar nicht. „Unsinn! Wenn man weint, kann man nicht glücklich aussehen!“
„Noch nie was von Tränen des Glücks gehört, Bruder?“ Thomas fand das durchaus nachvollziehbar.
„Sonst hast du keine Probleme, was?“ Luther nahm ihm diese Erklärung nicht ab.
„Er vielleicht nicht“, kam die Antwort von einer ganz anderen Seite. „Aber ich habe ein Problem!“
Caleb stand in der Tür zum Arbeitszimmer und fixierte die Brüder. Er hatte Glück, sie alle zusammen anzutreffen. So war es ihm vielleicht möglich, alle Ungereimtheiten aus dem Weg zu räumen.
„Was wollt Ihr, Ravenwood? Denkt Ihr, Ihr könnt ein Treffen mit Gillian erzwingen, ehe wir den Zeitpunkt für richtig halten?“ Luther ging sofort in Abwehrstellung.
„Ich habe so das Gefühl, Ihr alle habt eine falsche Vorstellung davon, was zwischen mir und Gillian in den Monaten vorgefallen ist, als sie bei mir auf der Burg war.“
Luther wollte dazu eine abfällige Bemerkung machen, doch Caleb ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Und ich habe scheinbar auch eine falsche Vorstellung davon, was nach dieser Zeit passiert ist.“
„Was wollt Ihr damit sagen?“, erkundigte sich Thad.
„Dass zu viele Leute zu viele Dinge annehmen, die gar nicht geschehen sind!“
„Nennt ein Beispiel“, schlug Thad vor.
„Gillian denkt, ich sei tot!“
„Wie sollte sie? Ich habe ihr gesagt, dass Ihr noch einmal wegen des Heiratsversprechens kommen wolltet“, widersprach Theo.
Caleb schüttelte den Kopf. „Ihr habt ihr gesagt, dass Ravenwood wegen der Heiratssache kommen würde, stimmt das?“
„Das sagte ich doch gerade!“ Theo war verwirrt.
„Aber für Gillian bin ich nicht Ravenwood, sondern Caleb! Mein vollständiger Name lautet Robert Caleb Ravenwood, meine Herren!“
„Gillian hat uns gegenüber nie den Namen Caleb erwähnt“, gab Thomas zu. „Aber das spielt ja auch keine Rolle. Als Luther sie zurückbrachte, war sie durch den Schock wie gelähmt!“
„Und hat einer von Euch je versucht herauszubekommen, warum das so war oder wurden nur wilde Vermutungen angestellt?“
Dieser Vorwurf entbehrte nicht jeder Grundlage. Aber so schnell gab sich Thomas nicht geschlagen. „Sie hat nicht darüber gesprochen, und keiner wollte an unangenehmen Erinnerungen rühren.“
Das brachte Caleb auf ein anderes Thema, das bei ihm eine tiefe Beklemmung hervorrief, aber er musste trotzdem fragen. „Sagt Ihr das, weil diese beiden Gesetzlosen sie misshandelt und geschändet haben?“
Diese Frage stand keine Sekunde im Raum, als Luther Caleb
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