Die Gilde der Diebe
hielt inne, offensichtlich nicht willens, sie mit all den Requisiten allein zu lassen. Raquella betrachtete ihn nachdenklich.
»Dir ist schon bewusst, dass dein Gesicht mit Ruß verschmiert ist, oder?«
Der Junge blickte in den Spiegel. Vor Schreck riss er die Augen auf.
»Oh, nein! Er bringt mich um, wenn er das merkt!«
»Wenn er was merkt?«
Sam zog ein zerknülltes Taschentuch aus den Tiefen seiner Hosentasche, spuckte rein und versuchte verzweifelt, sein Gesicht zu säubern.
»Das ist kein Ruß, Miss. Das ist Schwarzpulver. Ich habe versucht, einen von Mister Mountebanks Tricks nachzumachen, den ›explodierenden Tod‹, als … es ging irgendwie schief. Er hasst es, wenn ich seine Sachen benutze. Ah, ich kriege es nicht ab!«
Raquella verdrehte die Augen.
»Oh, in Darksides Namen, komm her!«
Sie zog ein sauberes Taschentuch aus ihrem Ärmel, tunkte es in ein Wasserglas, das auf dem Schminktischstand, und rieb Samuels Gesicht sauber, wobei sie sein Stöhnen und Jammern ignorierte.
»Halt still …!«
»Ich kann nichts dafür, es kitzelt.«
Obwohl das Pulver abging, hinterließ es gelbe Flecken auf Samuels sommersprossiger Haut.
»Ich bekomme das nicht ab. Ich brauche Karbolseife und eine Wurzelbürste.«
Samuel schauderte.
»Ich muss verschwinden, bevor er kommt.« Er rannte aus dem Zimmer und rief über seine Schulter zurück: »Was auch immer Sie tun, fassen Sie nichts an!«
Raquella zerknüllte das schmutzige Taschentuch und warf es in die Ecke. Jungs waren manchmal ziemlich merkwürdige Wesen. Sie hatte kaum Zeit, einen Sitzplatz zu finden, da öffnete sich abermals die Tür und Mountebank marschierte triumphierend herein. Auf seiner Stirn glänzte ein dünner Schweißfilm, und er war etwas außer Atem, aber er lächelte. Carnegie folgte dicht hinter ihm. Er grinste ebenfalls, was für den Wermenschen äußerst ungewöhnlich war.
»Das hättest du sehen sollen, Raquella!«, rief er. »Nachdem du verschwunden warst, hat Mountebank die Dornen wieder hochgezogen und deine Karte steckte auf einer von ihnen. Dann gab es eine Explosion und er war verschwunden! Wenn ich gewusst hätte, dass Theater so viel Spaß macht, dann wäre ich schon früher gekommen.«
Der Magier lächelte ihn wohlwollend an.
»Ich freue mich, dass Ihnen die Vorstellung gefallen hat. Es lief heute Abend ziemlich gut.«
Er hielt inne, als er den verärgerten Blick des Dienstmädchens bemerkte und sah, wie sie wütend mit dem Fuß wippte.
»Stimmt etwas nicht, meine Liebe?«
»STIMMT ETWAS NICHT?«, rief Raquella. »Was haben Sie da oben veranstaltet? Sie haben mich beinahe umgebracht!«
Der Magier schien durch ihren Wutausbruch verwirrt zu sein.
»Du warst niemals in Gefahr. Es ist ein automatischer Mechanismus. Sobald die Dornen sich senken, werden die Riemen gelöst, der Tisch dreht sich um, und der Freiwillige rutscht den Schacht hinunter. Das ist simpelste Mechanik.«
»Hätten Sie mir das nicht vorher verraten können? Und was sollte dieser Unsinn von wegen ›niemand kommt zu spät zu meiner Vorstellung‹?«
»Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, entgegnete Mountebank ruhig. »Der Trick funktioniert einfach besser, wenn der Freiwillige wirklich ängstlich aussieht. Das gehört zum Spektakel.«
»Sie müssen mir verzeihen, wenn ich alles andere als begeistert bin.« Sie warf Carnegie einen anklagenden Blick zu. »Obwohl Sie allem Anschein nach zumindest einen neuen Fan haben.«
»Es war eine tolle Vorstellung«, stimmte der Wermensch zu und ignorierte ihren scharfen Unterton. »Ich bin überrascht, dass nicht mehr Leute da waren.«
Mit einem melodramatischen Seufzer ließ sich Mountebank vor dem Spiegel nieder und zog seine Handschuhe aus.
»Ob Sie es glauben oder nicht, das war schon ein gutes Publikum. Darkside ist der falsche Ort für einen Magier. Wenn nicht gerade zwei Tiere sich vor ihren Augen gegenseitig in Stücke reißen, dann interessiert es die Leute nicht. Sie bevorzugen den Horror der blutigen Realität. Illusionen sind ihnen nicht wichtig. Sie haben keinen Sinn für … Wunder .«
Er zog seine Jacke aus, legte sie vorsichtig über die Rückenlehne seines Stuhls und schminkte sich ab.
»Ich weiß nicht, wie lange ich das hier noch tun kann. Eli Kinski ist nicht gerade für seine Geduld berühmt. Wenn ich nicht mehr Leute anziehe, dann bin ich raus.«
»Sie könnten ihren Auftritt etwas gewalttätiger gestalten«, schlug Carnegie vor. »Ein paar Eimer Blut, und die Leute kommen
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