Die Gilde der Diebe
Tagen aufgelöst. Ich glaube nicht, dass er je wieder hier auftreten wird.«
»Wirklich? Das ist aber schade!« Raquella marschierte den Gang entlang und erklomm die Stufen, die zur Bühne hinaufführten. »Tritt er vielleicht woanders auf?«
»Ähm, ich weiß nicht, Miss«, stotterte Sam und wich einen Schritt zurück in Richtung des Vorhangs. »Ich glaube, er hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen, zumindest für den Moment. Er sagt, die Leute würden Magier nicht mehr zu schätzen wissen.«
»Und warum bist du dann noch hier?«, fragte Raquella freundlich.
Sam deutete auf die Kiste.
»Er wollte, dass ich seine Requisiten einlagere. Mein Meister ist sehr pingelig, wenn es um seine Requisiten geht.«
»Dann kannst du mir also sagen, wo Mister Mountebank jetzt ist?«
»Ich weiß es nicht. Sie sollten jetzt gehen. Sie dürften gar nicht hier sein.«
»Du lügst«, rief Jonathan.
Sam zuckte zusammen, als er die neue Stimme hörte.
»Wer ist da?«
Jonathan stürmte die Stufen zur Bühne hinauf. Er war so wütend, dass er am liebsten die Wahrheit aus dem Jungen herausgeprügelt hätte.
»Halt dich da raus, Jonathan«, warnte ihn Raquella, während Sam weiter in den Schatten des Vorhangs eintauchte.
»Er lügt, Raquella, und wir haben keine Zeit für so was. Entweder sagt er uns jetzt freiwillig, wo der Magier steckt, oder ich zwinge ihn dazu.«
»Nein, bitte!«, rief Sam und hielt sich schützend die Hände vor das Gesicht.
Das Dienstmädchen stellte sich Jonathan in den Weg.
»Keinen Schritt weiter«, sagte sie bestimmt. »Ihm zu drohen, hilft uns nicht.«
Raquella ging mit ausgebreiteten Armen auf den Assistenten des Magiers zu.
»Niemand wird dir wehtun, Sam, das verspreche ich. Aber du musst begreifen, dass wir Mountebank unbedingt finden müssen. Ich weiß, dass er dein Meister ist, aber er hat einige schreckliche Dinge getan, und wir müssen verhindern, dass er das noch mal tut. Du bist ein guter Mensch, das spüre ich. Du musst uns helfen.«
Jonathan war überrascht, als die Schultern des Jungen zitterten und er zu weinen begann.
»Bitte, Sam«, sagte Raquella sanft. »Tu es für mich.«
Der Junge schniefte laut und trat ins Rampenlicht vor. Raquella schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund. Sams Gesicht war mit Schrammen und Beulen übersät und sein rechtes Auge war vollständig zugeschwollen.
»Ich darf nichts verraten!«, rief er tränenüberströmt. »Er bringt mich um, wenn ich es tue! Und euch auch! Er bringt uns alle um!«
24
Sam ließ sich auf die Kiste sinken und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Instinktiv ging Raquella zu ihm, um ihn zu trösten, aber er wich zurück, als sie ihm den Arm tätscheln wollte. Das Dienstmädchen warf Jonathan einen bösen Blick über Sams Schulter zu. Jonathan wusste nicht, was er sagen sollte. Trotz allem, und obwohl Mountebank sie belogen und betrogen hatte, war es schwer vorstellbar, dass der sanftmütige Magier fähig sein sollte, jemanden so zu verprügeln.
»Warum?«, fragte er schließlich.
»Er hat mich dabei erwischt, wie ich einen seiner Tricks geübt habe«, schniefte Sam, während die Worte aus seinem Mund purzelten. »Er war fortgegangen, und ich wusste nicht, ob er jemals zurückkommen würde, und ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn ich noch mal den explodierenden Tod ausprobiere, aber dann kam er zurück und hat mich dabei gesehen und … Er hatte mich zuvor schon davor gewarnt, seine Requisiten zu benützen, mein Meister ist sehr pingelig mit ihnen, aber ich habe ihn noch nie so erlebt. Er war nie …«
Seine Stimme verebbte.
»Oh, Sam«, sagte Raquella sanft.
Jonathan ging in die Knie und sah dem Jungen in die Augen.
»Also, wo ist Mountebank jetzt?«
»Er hat mir gesagt, ich soll alle seine Requisiten einsammeln und sie ihm bringen.«
»Wohin?«
»Das kann ich nicht verraten!«, rief Sam verzweifelt. »Wenn er es herausfindet, wird mein Leben nicht mehr viel wert sein. Mountebank wird euch auch wehtun, und das will ich nicht.«
Er blickte mit tränenerfüllten Augen zu Raquella auf.
»Der Junge muss es euch nicht sagen«, ertönte eine sonore Stimme aus den Tiefen des Zuschauerraums. »Es ist völlig klar, wo das Schwein sich versteckt.«
Jonathan spähte zwischen den Bühnenlichtern hindurch und sah eine kräftige Gestalt, deren muskulöse Brust nur mit einer roten Weste bekleidet war.
»Correlli!«, rief er.
Der Feuerschlucker nickte ihm grimmig zu, als er auf die Bühne kletterte. Er hatte eine
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