Die Gilde der Diebe
in Darkside bleiben. Oder ich komme zurück und gehe ins Gefängnis. Von mir aus kann ich auch versuchen, ihnen noch mal die Wahrheit zu erzählen, falls mir jemand glauben sollte. Aber ich kann nicht die nächsten Stunden auf einem Polizeirevier verbringen, nicht heute, Dad. Ich muss zurück nach Darkside.«
Alain seufzte und nickte.
»Ja, ich weiß, dass du musst. Ich sollte dich eigentlich nicht gehen lassen, aber ich glaube, dass du recht hast. Trotzdem müssen wir versuchen, die Dinge zu regeln, wenn du wieder zurück bist.«
Jonathan grinste.
»Pfadfinderehrenwort. Wie geht es Raquella?«
»Nicht schlecht«, erwiderte Alain, »wenn man bedenkt, was für eine Tortur das arme Mädchen durchgemacht hat. Sie ist im Gästezimmer, falls du sie sehen willst.«
Jonathan lief die Treppe hinauf in das Gästezimmer. Die Vorhänge waren zugezogen und die Luft war stickig. Raquella saß aufrecht auf dem Bett. Ihr Gesicht war blass und ihre Hände zitterten leicht. Sie öffnete ihre Augen ein wenig, als Jonathan eintrat, und schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln.
»Hallo«, sagte Jonathan leise und setzte sich auf die Bettkante. »Wie geht es dir?«
»Es ging mir schon schlechter. Was machst du hier?«
»Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht.«
»Das ist lieb«, entgegnete Raquella. »Aber mach dir um mich keine Sorgen. Mir geht es gut! Du musst dich darauf konzentrieren, diesen Stein zurückzuholen. Tu es für uns beide. Ich zähle auf dich, weißt du.«
Jonathan drückte freundschaftlich ihre Hand und lächelte. Raquella gab einen leisen Unmutslaut von sich. Das Dienstmädchen betrachtete ihre Handflächen und rümpfte ihre Nase.
»Deine Hände sind schmutzig! Du hast mich ganz dreckig gemacht!«
»Oh ja, tut mir leid.« Er öffnete seine Hände, die mit einer gelben Schmutzschicht bedeckt waren. »Als ich aufgewacht bin, waren sie plötzlich schmutzig, und ich krieg das Zeug nicht ab. Was immer es ist, es ist ziemlich hartnäckig.«
Raquella lächelte müde.
»Jungs – ihr seid alle gleich. Sam hat es auch nicht abgekriegt.«
Jonathan blieb in der Tür stehen und kratzte sich am Kopf.
»Wer ist das?«, fragte er stirnrunzelnd.
»Mountebanks Assistent«, erwiderte Raquella. »Er hat heimlich einen seiner Tricks ausprobiert … ›Der explodierende Tod‹, so hieß er, glaube ich. Seine Hände waren mit dem gleichen Zeug bedeckt.«
Die Zahnräder in Jonathans Gehirn begannen, wie wild zu rattern, und eine Reihe von Bildern zog in seinen Gedanken vorbei: der Tod des Magiers, die kleinen Rauchwolken, die von seiner Brust aufstiegen, als Xaviers Wachen auf ihn schossen, er selbst, der nach dem leblosen Körper des Magiers griff, seine Hände, wie sie Mountebanks Brust berührten. Und über all diesen Bildern hörte er immer wieder die Stimme des Magiers, die dieselben vier Wörter immer und immer wieder wiederholt: die Kunst der Irreführung …
Jonathan schnappte nach Luft und setzte sich hin.
»Das würde er nicht wagen!«
»Was ist los?«
Jonathan lachte ungläubig.
»Es war alles nur ein Trick«, schnaubte er. »Verstehst du, nur ein Trick! Er wurde gar nicht erschossen. Er ist gar nicht gestorben. Es war gar nicht Correlli, der mich k.o. geschlagen hat. Es war Mountebank!«
23
Jonathan verabschiedete sich gerade von seinem Vater, als sein Blick aus dem Wohnzimmerfenster fiel. Eine schmale Gestalt marschierte forsch die Auffahrt entlang und vom Haus weg. Er fluchte laut, stürzte zur Haustür hinaus und holte Raquella am Gartentor ein.
»He!«, rief er. »Wo willst du hin?«
Das Dienstmädchen ging weiter.
»Ich habe genügend Zeit im Bett verbracht«, erwiderte sie knapp. »Zeit, nach Hause zu gehen.«
»Aber du hast einen Schock! Du musst dich erholen!«
Er packte sie am Arm, worauf sie verärgert herumwirbelte und ihn mit geröteten Wangen anstarrte.
»Herrgott, Jonathan! Was ist mit dir? Möchtest du dich ausruhen? Ach übrigens, wie geht es deinem Bein? Wie ich sehe, kannst du kaum auftreten. Sollte sich das nicht jemand ansehen?«
Jonathan schwieg. Obwohl er ein paar Tabletten genommen hatte, schmerzte sein Bein, und er fühlte sich, als würde er seit einer Woche auf der Stelle laufen. Sein Körper war auf Autopilot geschaltet, und sein Gehirn versuchte zu vergessen, wie unendlich müde er war. Erstarrte zu Boden und Raquella tätschelte ihm sanft am Arm.
»Ich muss nach Hause, Jonathan. Verstehst du das nicht? Falls etwas schiefgeht und ihr den Purpur-Stein nicht
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