Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Meisterin - The Magician's Guild 3: The High Lord
er sie beobachtete. Wenn sie sich nicht hatte anmerken lassen, dass ihr sein Verhalten aufgefallen war, hatte sein Blick lange auf ihr verweilt; wenn sie jedoch in seine Richtung gesehen hatte, hatte er seine Aufmerksamkeit sofort auf ein anderes Ziel gelenkt.
Dieses Verhalten war ebenso ärgerlich wie faszinierend. Was sie erstaunte, war nicht die Tatsache, dass er sie ansah, sondern dass er dabei nicht ertappt werden wollte. Sonea lächelte schief. Würde sie die durchdringenden Blicke, die zu erwidern ihr lange Zeit so schwer gefallen war, tatsächlich vermissen?
Schlagartig wurde sie wieder ernst. Zweifellos zeigte er sich ihr gegenüber nur deshalb so abweisend, um sie einzuschüchtern, so dass sie klein beigab und zur Gilde zurückkehrte. Oder waren seine Gründe einfacherer Natur? Wollte er sie wirklich nicht bei sich haben? Sie hatte sich viele Male gefragt, ob er sie für die Entdeckung ihrer beider Geheimnis verantwortlich machte. Wenn Balkan nicht die Bücher über schwarze Magie in ihrem Zimmer gefunden hätte, hätte er sich dann mit Gewalt Zutritt zu Akkarins unterirdischem Raum verschafft? Akkarin hatte ihr nicht befohlen, die Bücher zu verstecken. Sie hatte es dennoch getan, aber offensichtlich nicht gründlich genug.
Vielleicht glaubte er einfach, dass er ohne sie besser dran sei. Dann irrt er sich, sagte sie sich. Ohne einen Gefährten, von dem er Kraft beziehen konnte, würde er, wenn er seine Magie benutzte, von Mal zu Mal schwächer werden. Wenn sie bei ihm war, hatte er vielleicht eine Chance, sich gegen einen Angriff durch die Ichani zu verteidigen. Es spielt keine Rolle, ob es ihm gefällt, mich dabeizuhaben.
Ah, aber es wäre so viel besser, wenn es ihm gefiele.
Würde er freundlicher sein, wenn sie Sachaka erreicht hatten und es keinen Grund mehr gab, sie zu einem Gesinnungswechsel zu bewegen? Würde er ihre Entscheidung, bei ihm zu bleiben, akzeptieren, oder würde er weiterhin wütend auf sie sein, weil sie ihm nicht gehorcht hatte? Sie runzelte die Stirn. Verstand er nicht, dass sie alles aufgegeben hatte, um ihn zu retten?
Sie schüttelte den Kopf. Es spielte keine Rolle. Sie wollte seine Dankbarkeit nicht. Er konnte so wortkarg und mürrisch sein, wie es ihm gefiel. Sie wollte nur sichergehen, dass er überlebte, und zwar nicht nur, weil er auf diese Weise würde zurückkehren und dazu beitragen können, die Gilde vor den Ichani zu retten. Wenn er ihr nichts bedeutet hätte, wäre sie in Imardin geblieben, und sei es auch als Gefangene der Gilde. Nein, sie hatte ihn begleitet, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, ihn nach allem, was er durchgemacht hatte, im Stich zu lassen.
Ich bin an Takans Stelle getreten, dachte sie plötzlich. Der ehemalige Sklave war Akkarin aus Sachaka gefolgt und zu seinem getreuen Diener geworden. Jetzt folgte sie Akkarin nach Sachaka. Was hatte er nur an sich, das in anderen solche Ergebenheit weckte?
Ich Akkarin ergeben? Sie hätte beinahe laut aufgelacht. So vieles hatte sich geändert. Ich denke, ich könnte ihn jetzt sogar mögen.
Dann setzte ihr Herz einen Schlag aus.
Oder ist es mehr als das?
Sie dachte gründlich über diese Frage nach. Wenn es mehr gewesen wäre, wäre ihr das doch gewiss schon früher aufgefallen. Mit einem Mal stieg in ihr die Erinnerung an die Nacht auf, in der sie die Ichani getötet hatte. Anschließend hatte Akkarin ihr etwas aus dem Haar gestrichen. Seine Berührung hatte merkwürdige Regungen in ihr ausgelöst. Sie hatte sich seltsam leicht gefühlt. Berauscht.
Aber das war nur eine Folge des Kampfes gewesen. Wenn man so knapp dem Tod entronnen war, fühlte man sich selbstverständlich berauscht. Das bedeutete nicht, dass sie...
Ich brauche ihn nur anzusehen, dann werde ich es wissen.
Plötzlich hatte sie Angst davor, das zu tun. Was, wenn es wahr war? Was, wenn er ihren Blick auffing und etwas Törichtes in ihrer Miene las? Er würde nur umso fester entschlossen sein, sie zur Rückkehr nach Kyralia zu bewegen.
Ein Murmeln ihrer Wächter rettete sie. Der Krieger, der in das Dorf geritten war, kehrte zurück. Vor den Knien des Mannes lagen ein Sack und ein Bündel. Als er die Gruppe erreicht hatte, übergab er das Bündel an Balkan.
Balkan öffnete es und zog ein grobgewebtes Hemd, eine eng anliegende Hose und ein langes, wollenes Hemd hervor, wie Sonea es bei den Dorfbewohnerinnen gesehen hatte. Er blickte zu Akkarin hinüber.
»Einverstanden?«
Akkarin nickte. »Die Sachen werden genügen.«
Balkan
Weitere Kostenlose Bücher