Die Gilde von Shandar: Die Spionin
als auch herzlich klingen zu lassen. Auf ihr Zeichen hin traten Sidis, Kalheen und Phagen vor und öffneten die Kisten mit den Schätzen.
Zufrieden bemerkte Femke, dass der König beim Anblick des Inhalts der kleinen Kisten ehrlich überrascht die Augenbrauen hochzog. Sie hätte gedacht, dass Krider oder einer seiner Diener ihm sicherlich bereits davon erzählt hatte, doch das war offensichtlich nicht geschehen. Oder, überlegte sie, die Fähigkeiten des Königs zur Schauspielerei sind größer als meine Fähigkeit, Gesichtsausdrücke zu deuten.
Sie sah, wie der König zu dem blonden jungen Mann hinüberblickte, der etwas abseits saß. Als der leicht nickte, begann der König zu lächeln. Ich frage mich, was das zu bedeuten hat? Femke überdachte verschiedene Möglichkeiten. Der Blick zeigte ihr, dass der junge Mann eine zu hohe Position am Hof einnahm, als dass er der Sohn des Königs hätte sein können. War es vielleicht Lord Shanier, der Zauberer, der Lord Vallaine überlistet und die shandesische Invasionsarmee besiegt hatte? Er sieht jünger aus als ich! Femke wusste, dass sie mädchenhafter wirkte als zwanzig, wenn sie ihr Alter zwecks eines Auftrags anders erscheinen ließ. Vielleicht war es bei diesem Mann ähnlich. Er scheint zu jung, um eine Bedrohung darzustellen, überlegte sie, was ihn nur umso gefährlicher machte. Jugend war häufig eine nützliche Täuschung gewesen, ihre Fähigkeiten zu verbergen, daher empfand sie eine gewisse Sympathie für den jungen Zauberer – falls er das war.
Als Meisterin der Verkleidungskunst wusste Femke die Vorteile von Shaniers scheinbarer Jugendlichkeit zu schätzen, doch sie wusste auch, dass sie möglicherweise nicht sein wahres Gesicht sah. Lord Vallaine hatte monatelang alle, einschließlich Femke, glauben lassen, er sei der Kaiser von Shandar. Wenn die Gerüchte wahr waren, dann waren Shaniers Zauberkräfte noch größer als die von Vallaine. Man konnte nicht wissen, zu was er fähig war.
»Lady Femke, ich nehme diese Geschenke von Kaiser Surabar gerne an und werde Euch in gebührender Zeit eine angemessene Antwort auf sein Friedensangebot geben. Die letzten Monate waren für uns alle sehr schwierig, aber Thrandor hat stets versucht, Frieden mit seinen Nachbarn zu halten. Ich würde meinen Untertanen einen schlechten Dienst erweisen, wenn ich einen solchen Vorschlag jetzt ablehnen würde. Willkommen in meinem Palast. Veldan wird Euch angemessene Quartiere zuweisen. Ich bin sicher, dass Ihr nach der langen Reise müde seid und noch keine Zeit hattet, Euch auszuruhen. Geht jetzt und erholt Euch. Wir werden uns morgen weiterunterhalten. Ich würde gerne mehr über den Kaiser Surabar erfahren und würde die Gelegenheit schätzen, von seinen Plänen für Frieden und vermehrten Handel zu hören.«
»Selbstverständlich, Euer Majestät«, antwortete Femke, immer noch lächelnd. »Ich danke Euch für Euren freundlichen Empfang. Angesichts des Unrechts, das Euch kürzlich von meinem Volk angetan wurde, ist das sehr großzügig. Solange ich hier bin, stehe ich Euer Majestät jederzeit gerne zur Verfügung, doch ich fürchte, dass mein Aufenthalt dieses Mal nur von kurzer Dauer sein kann. Seine Majestät, Kaiser Surabar, erwartet gespannt Eure Antwort auf sein Friedensangebot und ich muss seinem Befehl Folge leisten.«
König Malo nickte verständnisvoll und schürzte leicht die Lippen, als er antwortete: »Ich verstehe, Botschafterin. An seiner Stelle würde ich das Gleiche wünschen. Doch vorerst seid willkommen. Ihr könnt Euch im Palast und seiner Umgebung frei bewegen, innerhalb seiner Mauern seid Ihr sicher. Doch wenn Ihr oder Eure Männer in die Stadt gehen wollen, dann bestehe ich auf eine Eskorte – zu Eurer eigenen Sicherheit, müsst Ihr wissen. Manche Menschen in meinem Volk haben erst vor Kurzem liebe Anverwandte verloren und noch immer schwelen heiße Rachegedanken in manchen von ihnen. Wir möchten denjenigen, die im Eifer des Gefechts etwas Dummes tun könnten, keine unnötige Gelegenheit dazu bieten.«
»Das klingt nach einer sehr weisen Vorsichtsmaßnahme, Euer Majestät. Bis morgen«, verabschiedete sich Femke mit einem weiteren tiefen Knicks, wandte sich dann um und ging durch die Tür, die Veldan schnell für sie öffnete.
Der Kammerherr führte sie in den Westflügel des Palastes und zeigte ihr eine Zimmerflucht im ersten Stockwerk, die mehr Luxus aufwies, als Femke je gesehen hatte. Selbst als Lady Alyssa hatte sie noch nie in solch einer
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