Die Gilde von Shandar: Die Spionin
du brauchst.«
Reynik war enttäuscht, dass er den König von Thrandor nicht treffen sollte. Den ganzen weiten Weg gemacht zu haben und am wichtigsten Ereignis nicht teilnehmen zu dürfen, verbitterte ihn. Er war sich noch nicht sicher, ob es gut gewesen war, während des Kampfes nach der Krönungszeremonie Kaiser Surabar aufgefallen zu sein. Er hatte so hart dafür gearbeitet, in die Elitelegion des Generals aufgenommen zu werden. Und jetzt war er, noch bevor er sich daran hatte gewöhnen können, aus den Reihen gerissen worden, um die Reisebegleitung einer Botschafterin zu übernehmen.
Botschafterin Femke war nett; Reynik wusste, dass seine Anwesenheit nicht ihre Schuld war, doch er war enttäuscht, dass sein Dienst in der Legion des Generals mit solch einer Pflicht begann. Ein paar seiner Kameraden waren neidisch gewesen, dass er die Möglichkeit hatte, Mantor zu besuchen. Daher würde es bei seiner Rückkehr mit Sicherheit einige Reibereien geben, was für einen Neuen nie vorteilhaft war. Er konnte nur hoffen, auf dieser Reise Erfahrungen zu sammeln, die sich im weiteren Verlauf seiner Karriere als nützlich erweisen würden.
Sidis war ein miserabler Reisebegleiter gewesen. Der verdrießliche alte Kolonnenführer hatte jeden Anflug von Spaß im Keim erstickt. Reynik vermutete, dass die Botschafterin eine angenehme Gesellschafterin gewesen wäre, wenn er etwas freundlicher gewesen wäre. Doch so waren die zwei Wochen eine einzige, sich dahinziehende Qual gewesen. Darüber hinaus hatte Sidis nicht einmal Waffenübungen machen wollen, sodass er sich jetzt steif und unausgelastet fühlte.
Diener führten Reynik durch den Palast zu seinem Quartier. Das Gebäude war ein Labyrinth. Mit Sicherheit würde er sich hier verlaufen, dachte er grimmig. Doch als sich die Tür zu seiner Unterkunft öffnete, musste er unwillkürlich lächeln. Es war luxuriöser als alles, was er aus Shandar kannte. Vielleicht würde die Reise ja doch nicht so schlecht, dachte er.
KAPITEL VIER
»Abgereist? Wohin abgereist?«
Versande Matthiasons gleichmütiges Gesicht erzürnte Lord Danar, doch sein Zorn schien den Gasthausbesitzer nicht im Mindesten zu beeindrucken. Wie ein Fels in der Brandung ließ er die Gefühlsausbrüche über sich hinwegrollen, und wenn diese donnernde Brandung überhaupt irgendetwas bei ihm bewirkte, dann war das, seine Oberfläche noch glatter zu schleifen.
»Ich bin nicht sicher, wohin Lady Alyssa abgereist ist, Mylord. Es steht mir nicht zu, mich nach den Plänen meiner Gäste zu erkundigen. Ich habe allerdings bemerkt, dass ihre Satteltaschen voll waren, wenn ich also eine Vermutung äußern sollte, dann würde ich glauben, dass sie die Stadt verlassen hat, um nach Hause zurückzukehren«, antwortete Versande gelassen.
»Die Stadt verlassen!«, tobte Danar. Seine Augenbrauen zogen sich hoch, und ungläubiges Staunen drückte sich in jedem Winkel seines ausdrucksvollen Gesichts aus. »Wann ist sie abgereist?«
»Heute Morgen. Früh. Es tut mir leid, Lord Danar.«
Alyssa war ihm wieder entwischt. Zuerst hatte sie seine Bemühungen zunichtegemacht, sie nach der Krönung zu sehen, und jetzt ließ sie ihn vor Versande dastehen wie einen Trottel. Die zehn Goldsen, die er verlieren würde, wenn seine Freunde herausfanden, dass sie fort war, waren eine zusätzliche Erniedrigung. »Habt Ihr eine Ahnung, wann sie zurückkommen wird?«, fragte er wenig hoffnungsvoll.
Versande schüttelte den Kopf. »Ich fürchte nicht, Mylord. Lady Alyssa ließ nichts darüber verlauten, wann sie zurückzukehren gedenkt.«
»Dazu scheint Lady Alyssa ja zu neigen«, murrte Danar. »Heute Morgen ist sie abgereist, sagt Ihr? Nun, vielleicht kann ich sie einholen«, fügte er mehr zu sich selbst hinzu, als für den Gastwirt bestimmt. »Danke, Versande. Falls Ihr noch etwas von Lady Alyssa hört, würde ich mich freuen, wenn Ihr es mich wissen lasst.«
»Sehr gerne, Mylord. Sollte ich erfahren, wo sich die Dame aufhält, werde ich Euch benachrichtigen. Falls es Euch weiterhilft, Lady Alyssa und ihre Dienerschaft sind die östliche Allee hinuntergeritten.«
Danar nickte, drehte sich um und verließ das Gasthaus langsam und tief in Gedanken. Machte er sich etwas vor? Hatte er wirklich eine Verbindung zu Alyssa hergestellt oder bildete er sich das nur ein? Er war es gewohnt, dass Frauen in Ohnmacht fielen, sobald er nur Interesse an ihnen bekundete. Es war ärgerlich, aber auch erfrischend, dass Alyssa nicht so leicht zu
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