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Die Gilde von Shandar: Die Spionin

Die Gilde von Shandar: Die Spionin

Titel: Die Gilde von Shandar: Die Spionin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Robson
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müsst hier weg, Mylady. Sofort. Ihr müsst fliehen. Wer weiß, was sie mit Euch machen, wenn sie Euch erwischen.«
    Er stieß die Worte in panischer Hast hervor, wobei sie noch undeutlicher wurden, weil sich seine dicke Brust von der Anstrengung heftig hob und senkte.
    Femke geriet nicht in Panik. Sie holte tief Luft und zählte innerlich langsam bis fünf. Es funktionierte. »Danke, Kalheen, aber ich bin noch nicht bereit fortzulaufen«, sagte sie ruhig. »Ich habe kein Verbrechen begangen und schon gar keinen Mord. Ich war die ganze Nacht in meinem Zimmer, wieso also macht man mich dafür verantwortlich?«
    »Sie haben Eure Brosche in der Hand des toten Barons gefunden und in seiner Brust steckte ein shandesisches Messer. Es war die Brosche, die Ihr gestern an Eurem grünen Kleid getragen habt.«
    »Tatsächlich?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. »Das wollen wir doch mal sehen, oder?«
    Femke ging in ihr Schlafzimmer zu dem großen begehbaren Kleiderschrank, in dem sie ihre Sachen untergebracht hatte. Das grüne Kleid hing vorne, wo sie es am Abend vorher hingehängt hatte, aber von der Brosche war keine Spur zu sehen, nur das Kleid war dort eingerissen, wo das Schmuckstück angeheftet gewesen war. Jemand hatte die Brosche aus dem Kleid gerissen, aber Femke war sicher, dass es nicht Baron Anton gewesen war. Wer immer die Brosche gestohlen hatte, wollte ihr etwas anhängen. Schlimmer noch, als sie ihren Messergürtel untersuchte, stellte sie fest, dass eine Klinge fehlte. Die zusammengehörigen Griffe hatten ein auffälliges shandesisches Muster, das man nicht verkennen konnte. Noch vor ein paar Augenblicken war ihr die Idee davonzulaufen töricht erschienen – plötzlich erschien sie ihr viel klüger.
    Femke wusste, dass sie von einem Verlies aus, oder noch schlimmer, von einem Galgen hängend aus nie ihre Unschuld würde beweisen können. Wenn sie davonlief, sah das zwar aus wie ein Schuldeingeständnis, aber zumindest würde es ihr die Freiheit geben, ihren unbekannten Feind auszumachen und zu versuchen, sein Motiv zu ergründen. Sie wusste nur wenig über das thrandorianische Rechtssystem und noch weniger darüber, wie man mit einem ausländischen Diplomaten verfahren würde, der angeklagt wurde, einen prominenten Edelmann und Freund des Königs ermordet zu haben. Schaudernd dachte sie an das, was ihr möglicherweise bevorstand, und entschloss sich, nicht darauf zu warten, dass sie es herausfand.
    »Verriegle die Tür, Kalheen«, befahl sie. »Man hat mich hereingelegt. Du hast recht – ich muss hier raus, und ich glaube nicht, dass ich durch die Gänge weit komme.«
    Femke rannte in den Salon und zum Fenster, von dem sie den größten Flügel aufriss, um ihren geplanten Fluchtweg zu inspizieren. Er war gefährlich. Sie hatte nicht damit gerechnet, den thrandorianischen Palast überstürzt verlassen zu müssen, doch aus alter Gewohnheit hatte sie alle Fluchtmöglichkeiten untersucht. Es war die beste Chance, die sich ihr bot. Es war nicht das erste Mal, dass sich ihre Vorsichtsmaßnahmen als nützlich erwiesen.
    Sie kletterte nicht direkt aus dem Fenster, sondern rannte zurück ins Schlafzimmer und durchsuchte ihre Sachen. In einen Rucksack warf sie schnell ein paar Dinge. Thrandorianisches Geld, Kleider zum Wechseln, ihre Sammlung an Messern und Dietrichen sowie eine Schmuckschachtel, in der sie unter dem doppelten Boden in kleinen, fest verkorkten Metallphiolen ihre Gifte aufbewahrte. Ein lautes Klopfen an der Tür zum Salon verursachte ihr fast einen Herzschlag. Die Zeit war um. Sie musste gehen.
    Femke warf sich den Rucksack über die Schulter, vertauschte ihre höfischen Schuhe gegen kurze Schlupfstiefel und rannte zum offenen Fenster. Ein Kleid war für diese Aktivität kaum geeignet, aber das konnte sie jetzt nicht ändern. Kalheen half ihr, das Gleichgewicht zu halten, als sie auf das Fenstersims hinauskletterte. Sie drehte sich kurz um. Der stämmige Diener hatte bereits den Riegel vor die Tür geschoben.
    »Versuch, sie so lange wie möglich hinzuhalten. Ich bin dir für jede Sekunde dankbar, die du mir verschaffen kannst«, flüsterte sie.
    »Ich werde mein Bestes tun. Viel Glück, Mylady«, erwiderte er.
    Das Sims war schmal. Der Rucksack verhinderte, dass sie mit dem Rücken zur Mauer stehen konnte, und so musste sie mit dem Gesicht zur Wand fast blind seitwärts gehen. Der Saum ihres Kleides schlug ihr um die Schenkel und lenkte sie zusätzlich ab, als der Wind mit unsichtbaren

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