Die Gilde von Shandar: Die Spionin
konnte. »Ich sehe wohl, dass es mir wenig nutzt, meine Karten auszuspielen, solange Ihr alle Trümpfe in der Hand haltet, daher spare ich mir die Worte. Doch ich bitte Euch, Majestät, erlaubt einen fairen Gerichtsprozess mit einem unvoreingenommenen Fürsprecher aus meinem eigenen Land. Wäre das möglich?«
Der König blickte kurz nachdenklich von einem zum anderen. »Angesichts der Tatsache, wer ermordet worden ist, wollte ich es eigentlich nicht in Betracht ziehen, aber der Fall ist kompliziert. Ich werde Eure Bitte berücksichtigen, Femke, doch ich verspreche nichts. Aber wie ich mich auch entscheide, es wird die Ausübung der Gerechtigkeit nicht lange verzögern. Anton war seit vielen Jahren mein bester Freund. Ich werde nicht zulassen, dass sein Tod ungesühnt bleibt, und schon das hier allein …«, knirschte Malo mit unterdrücktem Zorn in der Stimme, als er sich zu Femkes Stiefeln hinunterbückte und eines ihrer auffällig verzierten Messer aus dem Schaft zog, um es ihr unter die Nase zu halten, »… das allein schon lässt in mir den Wunsch aufkommen, Euch für seinen Mord hängen zu sehen. Eure persönlichen Differenzen sind mir egal, aber ich weiß, dass bei Tag besehen mein Gewissen mich plagen würde, wenn ich den Falschen hänge. Jetzt geht mir beide aus den Augen. Ich möchte in Ruhe trauern.«
»Selbstverständlich, Euer Majestät«, sagte Shalidar aalglatt und glitt mit geschmeidiger Anmut aus der Tür. »Ich stehe Euch jederzeit zur Verfügung, falls Ihr mich brauchen solltet. Guten Abend, Euer Majestät.«
Als Shalidar gegangen war, griffen die Wachen, die Femke hereingebracht hatten, wieder nach ihr und zerrten sie grob zur Tür.
»Sorgt dafür, dass die Botschafterin sorgfältig durchsucht wird, Männer, aber lasst es von einer Frau tun. Ich möchte nicht, dass man uns der Unschicklichkeit bezichtigt, falls sie sich beim Prozess als unschuldig erweisen sollte, habt ihr verstanden? Angesichts der Fähigkeiten, die uns bereits bekannt sind, möchte ich keine Überraschungen in der Art erleben, dass sie uns zwischen den Fingern hindurchschlüpft«, befahl Malo streng.
»Jawohl, Euer Majestät«, erwiderte der Vorgesetzte der Gardisten. »Es wird sofort erledigt, Majestät.«
Die Wachen salutierten, bevor sie Femke wieder in den Gang zurückstießen. Eilends wurden Männer losgeschickt, um geeignete Frauen zu finden, die sie durchsuchen und Gefängniskleidung bringen sollten. Femke fragte sich unwillkürlich, wo die Verliese wohl waren, da sie innerhalb des Palastes keine bewachten Bereiche bemerkt hatte. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass die Gefängniszellen nicht innerhalb des Palastgeländes lagen, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass der König eine so wichtige Gefangene weiter weg unterbringen würde.
Zuerst brachte man Femke in einen der königlichen Salons und zwang sie, im Schneidersitz mit gesenktem Haupt auf dem Boden sitzen zu bleiben, während die Frauen für die Leibesvisitation gesucht wurden. Als diese schließlich kamen und die Männer gegangen waren, stellte sie fest, dass sie ihr Handwerk verstanden. Zu ihrer Enttäuschung fanden sie jedes Einzelne ihrer versteckten kleinen Werkzeuge und Instrumente. Das hatte die junge Spionin zwar schon fast erwartet, doch sie hatte noch die schwache Hoffnung gehegt, dass sie vielleicht eines der kleineren Geräte übersehen würden. Doch es sollte nicht sein. Kurz darauf wurde Femke durch die Gänge zum Erdgeschoss des Dienstbotenflügels geführt. Sie war barfuß, trug eine lange, schlichte Tunika und einfache Unterwäsche.
Hinter einer Tür, die genauso aussah wie alle anderen Türen im Dienstbotenflügel, führte eine Wendeltreppe nach unten. Bei diesem Anblick überkam Femke die ungute Vorahnung, wie die Zellen beschaffen sein würden, zu denen sie gebracht wurde. Die Treppe war eng und dunkel, und trotz der Fackeln, die einige der Gardisten trugen, war der Abstieg nicht sehr angenehm.
Am Fuß der Treppe befand sich ein größerer Raum, von dem vier Türen abgingen. Die Wachen stießen sie zu der Tür direkt vor ihnen. Einer der Männer nahm einen großen Schlüsselbund vom Gürtel, öffnete die Tür und schwang sie in eine kleine, dunkle Kammer auf. Mit einem erneuten Stoß zwangen sie Femke in die Zelle, wo ihr ein anderer Wächter die Ketten abnahm.
Femke rieb sich die Handgelenke, während sie sich schnell umsah. Es gab ein kleines Feldbett mit einer ordentlich gefalteten Decke, ein Loch im Boden in einer Ecke
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