Die Gilde von Shandar: Die Spionin
zur Eile, meine Herren, sie wird nirgendwohin gehen.«
Femke stöhnte leise auf und sah prüfend in die andere Richtung des Ganges. Auch von dort erschien eine Gruppe von Gardisten und kam auf sie zu, woraufhin sie den Gedanken, sich Kalheens Griff zu entwinden und fortzulaufen, verwarf. Es machte keinen Sinn. Die Soldaten hatten sie in die Enge getrieben. Sie hätte von Anfang an auf Kalheen hören sollen. Er hatte versucht, sie dazu zu überreden wegzulaufen, aber sie hatte gemeint, es besser zu wissen. Bis jetzt hatte sich Femke bei ihrem Besuch in Thrandor nicht gerade mit Ruhm bekleckert, weder durch ihre Fähigkeiten noch durch ihr Urteilsvermögen.
»Verdammt, Shalidar!«, fluchte sie durch die Zähne. »Wie kannst du mir nur immer so weit voraus sein?«
Die Wachen gingen nicht besonders grob, aber auch nicht gerade sanft mit ihr um. Zuallererst banden sie ihr die Hände mit schweren Metallarmreifen, die mit einer kurzen Kette miteinander verbunden waren, hinter dem Rücken zusammen und sicherten sie mit einem schweren Vorhängeschloss. Selbst mit ihrem besten Dietrich würde sie Schwierigkeiten haben, sie zu öffnen, da sie die Hände nicht frei genug bewegen konnte.
Der Hauptmann der Gardisten dankte Kalheen für seine Hilfe und ließ ihn an seine Arbeit zurückgehen oder in sein Quartier. Femke war froh, dass sie nicht auch noch ihn festhielten, denn immerhin hatte er versucht, sie zu warnen, aber sie hatte sich ja dickköpfig geweigert, auf ihn zu hören. Jetzt war es zu spät, sich um die falsche Einschätzung ihrer Lage Gedanken zu machen – das hatte Ferrand ihr beigebracht. Das Beste, was Femke jetzt tun konnte, war, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und auf die Chance zu lauern, den kleinsten Fehler ihrer Gegner auszunutzen.
Mit fest hinter dem Rücken gefesselten Händen wurde Femke durch die Gänge zu den zentral gelegenen Räumen des Königs bugsiert. Der Audienzsaal, das private Arbeitszimmer des Königs, der königliche Gerichtssaal und viele andere Tagesräume, die er für Versammlungen und den Empfang von Gästen nutzte, lagen alle in der Mitte des Palastes. Es wurde nicht viel gesprochen außer einem gelegentlichen Befehl weiterzugehen, was Femke ziemlich lächerlich fand. So oft, wie sie zwischen die Schulterblätter geknufft wurde, würde sie sicher nicht stehen bleiben.
Sie erreichten den Gang, der zum persönlichen Arbeitszimmer des Königs führte, wo der Hauptmann der Garde anhielt. »Bewacht sie hier und werdet nicht nachlässig, Männer. Denkt daran, was wir besprochen haben. Ich will nicht, dass ihre Komplizen auch nur die geringste Chance haben, sie zu befreien. Ich werde Seine Majestät davon informieren, dass die Botschafterin festgenommen worden ist. Es dauert nicht lange.«
Femke war leicht amüsiert. Komplizen!, dachte sie mit schiefem Lächeln. Was würde ich nicht gerade für ein paar Komplizen geben!
Dann dachte sie, dass sie tatsächlich in Kalheen einen Komplizen hatte, aber es nutzte ihr wenig, jetzt darüber nachzudenken. Was konnte er schon für sie tun? Nichts. Femke war auf sich gestellt – das war von Anfang an so gewesen. Sie konnte nur darauf hoffen, dass sie eine Idee hatte und die Gelegenheit bekam, sich mithilfe ihrer Fähigkeiten einen Weg aus dieser zunehmend schwierigeren Lage zu suchen.
Sie hatte stark das Gefühl, als würde keines ihrer Werkzeuge der gründlichen Leibesvisitation entgehen, die unweigerlich folgen würde. Es wunderte sie, dass sie ihr nicht jetzt schon die verschiedenen Messer abgenommen hatten, die sie bei sich trug, aber da sie schon ein Schlangenmensch sein musste, um sie mit ihren gefesselten Armen zu erreichen, konnte sie im Moment nur wenig damit anfangen.
Die königlichen Gardisten führten sie zum Arbeitszimmer des Königs und hielten sie fest, während ihr Vorgesetzter an die Tür klopfte. Eine gedämpfte Stimme, die Femke sofort als die des Königs erkannte, befahl ihm einzutreten. Der Gardist schlüpfte durch die Tür, doch die kurze Unterhaltung war für die Wartenden im Gang nicht zu verstehen.
Plötzlich öffnete sich die Tür wieder, und der Gardist gab ein Zeichen, Femke hereinzubringen. Als sie losgehen wollte, bekam sie einen heftigen Stoß in den Rücken, der sie über die Schwelle stolpern ließ. Femke sah sich nach der leicht amüsiert dreinblickenden Wache um, die sie gestoßen hatte, und warf dem Mann einen Blick zu, der jeden, der sie kannte, einen Monat lang hätte schlecht schlafen lassen.
Als sie
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