Die Gilde von Shandar: Die Spionin
wieder nach vorne blickte, stellte sie fest, dass der König sie aufmerksam betrachtete. Sie hätte nie gedacht, dass sie ihn mit solch einem Gesichtsausdruck sehen würde, und es schmerzte sie sehr.
»Bitte, Euer Majestät, was habe ich Euch gesagt? Gefangen, genau wie ich es Euch gesagt habe. Es würde mich nicht im Mindesten überraschen, wenn Ihr heute Nacht ihr Ziel gewesen wäret, aber wie ich schon sagte, kenne ich die junge Dame glücklicherweise und weiß, wie sie arbeitet. Ich schlage vor, Euer Majestät, dass Ihr sie schnell und streng verurteilt, denn Euer Königreich wird nicht eher sicher sein, als bis solches Ungeziefer ausgerottet ist.«
Sobald sie diese Stimme hörte, wusste Femke, dass sie schon wieder hereingelegt worden war. Shalidar befand sich beim König, und sie begann, sich wie eine Marionette zu fühlen, an deren Fäden der Killer nach Belieben zog. Im Moment ließ er sie einen Tanz aufführen, der sie das Leben kosten konnte.
»Nun, Kaufmann Shalidar, sosehr es mich schmerzt, muss ich doch sagen, dass Ihr scheinbar die ganze Zeit recht gehabt habt«, gab König Malo tief aufseufzend zu. »Ich hätte es nicht geglaubt, hätte ich sie nicht so mit meinen eigenen Augen gesehen. Botschafterin Femke, wenn Ihr denn so etwas überhaupt seid, ich kann Euch nicht sagen, wie enttäuscht ich bin, dass Ihr nicht zu den tapferen Worten steht, die Ihr von Eurem Kaiser zu überbringen behauptet habt. Ich hatte so gehofft, dass die Unannehmlichkeiten der letzten Monate endlich hinter uns lägen, doch nun scheint es, als fingen die schlechten Zeiten gerade erst an. Habt Ihr irgendeine Erklärung für Eure Taten in den letzten beiden Tagen? Warum seid Ihr wie meine Dienerschaft gekleidet und habt Euer Gesicht so verändert, dass Euch nur die erkennen können, die wissen, worauf sie achten müssen?«
»Euer Majestät«, begann Femke und versuchte, demütig und entschuldigend zu klingen. »Glaubt mir, niemand im ganzen Palast ist über die Ereignisse der letzten beiden Tage betrübter als ich. Ich weiß, es war falsch davonzulaufen, als ich erfuhr, dass jemand versucht hatte, mir den Tod von Baron Anton in die Schuhe zu schieben. Ich hätte bleiben müssen und meine Unschuld zu beweisen versuchen, bevor die Lage noch schlimmer wurde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich weiß, wer Euren Freund ermordet hat, aber da ich Euch keine Beweise liefern kann, um eine Anschuldigung zu untermauern, muss ich fürs Erste schweigen.«
»Ihr wisst, wer Baron Anton ermordet hat, aber Ihr wollt es nicht sagen – das ist interessant. Ich frage mich, warum? Könnte es sein, dass Ihr das Gefühl habt, der Mörder sei hier im Raum?«, fragte der König spitz und warf einen Seitenblick auf Shalidar, der kaum weniger subtil hätte sein können.
»Das würde ich nicht sagen, Euer Majestät. Ich hoffe, dass Ihr es eines Tages verstehen werdet. Ich weiß, dass Ihr mich einsperren und dafür Sorge tragen müsst, dass die Gerechtigkeit siegt, aber ich rate Euch, wachsam zu bleiben. Ich schwöre Euch, ich bin nicht der Mörder, den Ihr sucht. Der Kaiser wünscht sich Frieden. Wer auch immer hinter diesen Morden steckt, versucht alles, um die Bemühungen von Kaiser Surabar zu untergraben«, sagte Femke. Unwillkürlich musste sie das glatte Gesicht Shalidars ansehen, als sie ihre Bitte vortrug.
»Seht Ihr, Euer Majestät?«, warf Shalidar mit Flüsterstimme heftig ein, »es ist genau, wie ich es Euch gesagt habe. Femke ist eine Auftragsmörderin, aber nicht unbedingt die klügste aller Killer. Ich weiß, was sie versucht. Ihr Motiv ist Vergeltung und nichts weiter. Ich habe diese junge Frau schon früher getroffen, und nachdem ich ihre Pläne damals durchkreuzt habe, wusste ich, dass sie auf Rache sinnen würde. Ich kann mich nur dafür entschuldigen, dass sie sich als Werkzeug dafür ausgerechnet Eure Edelleute ausgesucht hat. Es war leicht zu erraten, dass sie sich eine lächerliche Geschichte ausdenken würde, um die Schuld für ihr schmutziges Werk mir zuzuschieben. Nun, Femke, das wird nicht funktionieren. Du hast an den Orten deiner Verbrechen viel zu viele Spuren hinterlassen, als dass dir dieses Mal jemand deine wirren Geschichten glauben wird, daher sind deine Worte reine Zeitverschwendung. Du wirst hier und heute keine Rache bekommen, ist das klar?«
»Nicht heute, Kaufmann Shalidar, aber eines nicht allzu fernen Tages wird man Euch als das entlarven, was Ihr wirklich seid«, erwiderte Femke so verächtlich, wie sie nur
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