Die Gilde von Shandar: Die Spionin
weiß nicht, warum er mich gewählt hat. Ich weiß zwar, dass er von meinen Versuchen des Verrats an ihm weiß, aber ich werde den edlen Namen meiner Familie nicht weiter damit beschmutzen, dass ich das Vertrauen verrate, das er in mich gesetzt hat. Er hat meinem Haus Ehre erwiesen. Er ist der Kaiser. Er hat mich zum Regenten gemacht. Das sind die Fakten. Nun, meine Herren, wenn Ihr weiter nichts zu tun habt, schlage ich vor, dass Ihr geht.«
Ein Nicken in Richtung der beiden Wachen, die im Raum geblieben waren, reichte aus. Sie traten vor und legten die Hände an den Schwertgriff. Es war dramatischer, als Kempten gewollt hatte, aber es zeigte Wirkung.
Einen Moment lang rührten sich Lord Veryan und seine Freunde nicht, sondern starrten Lord Kempten nur mit einer Mischung aus Zorn, Unglauben und Abscheu an. Nach einem Augenblick, der sich wie eine Ewigkeit hinzuziehen schien, wandte sich Veryan schließlich um und führte die anderen aus dem Arbeitszimmer des Kaisers.
»Bei Shand!«, stieß Kempten hervor, als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. »Wenn sich Surabar mit so etwas jeden Tag herumschlagen muss, dann ist es kein Wunder, dass er kein Interesse daran hat, den Mantel zu behalten. Ich würde es jedenfalls nicht wollen.«
»Psst! Botschafterin Femke! Seid Ihr wach?«
Ennas lag auf dem schmalen Bett, hatte der Tür den Rücken zugewandt und sich in die Decke gewickelt, wie immer, wenn er hörte, dass sich draußen die Wachen abwechselten. Der neue Wachposten öffnete immer das kleine Fenster, um nach der Gefangenen zu sehen. Das gehörte zum Prozedere.
Er wollte auf keinen Fall mit den Wachen sprechen, denn er wusste, dass er Femkes Stimme nie überzeugend nachmachen konnte. Er konnte sich nur ruhig verhalten und so tun, als ob er schliefe, entschied er.
»Botschafterin?«, fragte die hartnäckige Stimme wieder, diesmal etwas lauter. »Botschafterin, Ihr ratet nie, was gestern passiert ist!«
Ennas stöhnte innerlich auf. Femke musste ja unbedingt mit einer der Wachen sprechen, nicht wahr?, dachte er bedauernd und hoffte, dass der Gardist weggehen würde, wenn er nicht antwortete. Normalerweise war es unmöglich, Kontakt zu einer Gefängniswache zu bekommen, da es von der Gefängnisverwaltung grundsätzlich verboten wurde. Aber Femke hatte es offenbar geschafft, dieses Mitglied der königlichen Garde in Gespräche zu verwickeln, daher war es schwierig, unendlich lange zu schweigen, ohne den Verdacht des Mannes zu erregen. Der Stimme nach war er jung und unerfahren und wegen irgendetwas völlig aufgeregt, was bedeutete, dass er sich nicht so leicht würde abwimmeln lassen.
»Botschafterin?«, fragte er wieder, viel lauter als zuvor, als ob er Ennas Befürchtungen bestätigen wollte. »Botschafterin, Ihr glaubt nicht, was gestern passiert ist!«
Ennas wusste, dass er nicht länger schweigen konnte, also stöhnte er leise auf, als ob er gerade aufwachen würde. Das reichte schon.
»Hey Botschafterin, es war fantastisch! Würdet Ihr glauben, dass es Dieben gelungen ist, in den Palast einzudringen …?«
Nicht weiter schwierig, dachte Ennas.
»… und dann haben sie es geschafft, in die königliche Schatzkammer einzubrechen. Was haltet Ihr davon?« Der Wächter wartete einen Augenblick auf eine Antwort, und als er keine bekam, fuhr er fort: »Sie sind nicht nur an den Wachen vorbeigekommen und haben die Schlösser an der äußeren Tür geknackt, sondern wussten irgendwoher auch von der geheimen inneren Tür. Der Sergeant glaubt, dass ihnen jemand aus dem Palast geholfen hat, und die Hauptmänner und die Unteroffiziere haben alle ausgequetscht, bei denen auch nur der geringste Verdacht bestand, dass sie etwas damit zu tun haben. Sie haben sogar mich verhört! Stellt Euch das mal vor! Ich habe noch nie im Leben etwas gestohlen, aber sie haben mich eine Stunde lang ausgefragt. Natürlich habe ich niemandem etwas gesagt – außer Euch natürlich. Es wäre für die Untersuchung kaum von Interesse gewesen, ihnen von unseren Unterhaltungen zu erzählen. Außerdem würde man Euch dann nur noch strenger behandeln und das wäre nicht fair.«
Ennas musste grinsen. Femke, du böses Mädchen!, dachte er und verzog die Lippen zu einem Lächeln. Warum hast du denn den Staatsschatz ausgeraubt? Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit gehabt, um zu reden, bevor Danar und Reynik dich weggebracht haben. Es wäre viel leichter, wenn ich wüsste, was für hirnverbrannte Pläne du während deiner Gefangenschaft
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