Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Ich wäre gerne den Status als Flüchtling los, bevor Surabar ankommt.«
»Das ist verständlich. Surabar vermittelte mir den Eindruck, dass er für Dummköpfe nicht viel übrig hat. Wie dem auch sei, ich bezweifle, dass er von einem von uns beeindruckt sein wird, wenn es uns nicht gelingt, in den Beziehungen zum thrandorianischen König einen Durchbruch zu erringen, bevor er kommt.«
»Genau! Weißt du, was du zum König sagen sollst, wenn wir ankommen?«
»Ja, sicher«, erwiderte Danar grinsend. »Du machst dir zu viele Sorgen. Ich kenne meinen Text. Hör auf zu grübeln, ich werde dich nicht enttäuschen.«
»Das willst du bestimmt nicht, aber ich will sicher sein, dass du dich daran erinnerst, das ist alles. Ich habe nicht all die Jahre als Spionin überlebt, ohne meine Rollenspiele sorgfältigst vorzubereiten.«
Danar amüsierte sich über den Ausdruck. »›All die Jahre‹? Du kannst doch kaum älter sein als zwanzig!«, meinte er lachend. »Du hörst dich an wie eine Großmutter, die ihrem Enkel sagt, er soll ein braver Junge sein.«
»Mit dir fühle ich mich manchmal fast so«, gab Femke mit gespieltem Ärger zurück. »Nun komm schon, Danar, tu, was man dir sagt, und iss dein Gemüse!«, fügte sie mit der überzeugend verstellten Stimme einer quengelnden alten Dame hinzu. Danar sah sich überrascht um.
Femke musste über sein erstauntes Gesicht lachen und sah ihn spöttisch an. »Es kommt nicht nur darauf an, wie man sich verkleidet. Du musst auch deine Stimme der Rolle anpassen. Und nun lass uns endlich den Hügel hinaufreiten und dem König deine Vorstellung eines shandesischen Lords vorspielen. Ist sicher interessant zu sehen, wie du versuchst, dich selbst zu spielen.«
»Du freches …! Wenn du nicht aufpasst, werde ich meinen Besuch im Palast damit beginnen, dass ich meinen Diener ordentlich auspeitschen lasse, bevor er irgendwo untergebracht wird! Das wäre die richtige Strafe für deine Unverschämtheit. Vielleicht nehme ich sogar selbst den Stock. Oh ja, und für die Dauer des Aufenthalts gibt es nur Wasserrationen.«
»Das wagst du nicht«, meinte Femke mit zuversichtlichem Grinsen, doch ihr Lächeln verschwand, als sie ihn anblickte, denn er wirkte vollkommen ernst.
»Mach nur so weiter«, sagte Danar entschieden. Er schien entschlossen und selbstgerecht. »Angehörige des Adels lassen es nicht zu, dass das gemeine Volk sich über sie lustig macht und ihre angestammten Rechte untergräbt. Die Schuldigen erwarten strenge Strafen. Es wäre nur angebracht, dir eine Tracht Prügel zu verabreichen, damit du weißt, wo du hingehörst. Vor allem weil du dich bei zu vielen Gelegenheiten selbst als Adlige ausgegeben hast. Ich glaube sogar, dass die Prügel besonders kräftig ausfallen sollten angesichts deines völlig fehlenden Respekts vor der Klasse der Leute, über die du dich ständig lustig machst.«
Femke war plötzlich gar nicht mehr so selbstsicher und versuchte herauszubekommen, ob Danar nur scherzte oder ob er tatsächlich überlegte, sie zu verprügeln.
»Wie du siehst, kann ich die Rolle ebenso gut spielen wie jeder andere verzogene Jüngling«, sagte er und zauberte wieder sein normales spitzbübisches Lächeln aufs Gesicht.
»In Ordnung«, grinste Femke reumütig. »Ich gebe zu, dass das eine Rolle ist, die du sehr gut spielst. Aber lass dich zu nichts hinreißen. Hier geht es nicht darum, Spaß zu haben. Die Situation ist sehr gefährlich. Wir müssen Shalidar festnageln – und zwar schnell. Wenn nicht, dann sitzt uns nicht nur König Malo im Nacken, sondern auch noch Kaiser Surabar. Vorausgesetzt natürlich, dass uns nicht vorher Shalidar erwischt.«
»Nein, was sind wir heute aber auch wieder optimistisch«, erwiderte Danar sarkastisch. »Denk daran, es war dein Plan. Ich vertraue darauf, dass du mich leben lässt, also enttäusch mich nicht, ja?«
»Ich werde mein Bestes tun, Euer Lordschaft«, meinte Femke, zupfte an ihrem Pony und deutete durch leichtes Kopfnicken spöttisch eine Verbeugung an.
»Vorsicht, Femke, oder ich überlege mir das mit dem Auspeitschen noch!«
Leise kicherten sie vor sich hin, doch als plötzlich kurz vor ihnen jemand aus einer Seitenstraße kam und vor ihnen den gleichen Weg zum Palast hinauf nahm, war das Lachen augenblicklich von ihren Gesichtern verschwunden, und sie ritten schweigend weiter.
Am Tor des Palastes meldete sich Danar als Lord des shandesischen Hofes und Botschafter des Kaisers von Shandar an und erbat eine Audienz beim
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