Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
für möglich gehalten hatte. Er brüllte seinen Zorn heraus, warf ein Bein über den Rücken seines Pferdes und verlagerte seinen Griff um die Drachenstandarte, so dass er sie wie einen Langspieß schwingen konnte, in schwacher Nachahmung der noch immer ruhigen Yrathi-Söldner. Er hatte bereits die halbe Entfernung zu Hal zurückgelegt, befand sich bereits innerhalb einer Schwertlänge der morenianischen Truppen, als ein Schrei erklang.
»Halt!« Sin Hazars Augen blitzten, als er den Befehl brüllte, während seine Lippen in seinem Bart verschwanden. Der König hatte die linke Hand zu Bashanorandi ausgestreckt, die Finger starr, als wollte er einen Zauber heraufbeschwören, um den Jungen erstarren zu lassen. »Halt, sage ich!«
»Euer Majestät«, platzte Bashi heraus, und Speichel flog von seinen Lippen, als er sich zu seinem Lehnsherrn umwandte.
»Ich werde den Befehl nicht noch einmal erteilen!«
Bashi öffnete den Mund zum Protest, aber dann gewahrte er die Yrathi-Söldner, bemerkte, dass die drei vorderen Reiter ihre Langspieße auf ihn gerichtet hatten. Er schien jäh zu erkennen, dass er unberitten war und am Rand feindlicher Truppen stand. Der Schwanz des Drachenbanners schleifte über den Boden, nahe genug, dass Rani mit ihrem Fuß hätte darauftreten können. Bashi richtete die Standarte mit krampfartigem Schaudern auf und pflanzte sie neben seinen Fuß, als hätte er die ganze Zeit beabsichtigt, dieses Gebiet für seinen König zu beanspruchen.
Wenn Sin Hazar diese Geste zu schätzen wusste, so zeigte er es nicht. Er wandte seine Aufmerksamkeit nun von dem zitternden Bastardprinzen zu Hal. »Halaravilli ben-Jair, Ihr habt unser Land widerrechtlich betreten. Wir gewähren Euch bis zum Mittag Zeit, den Rückzug anzutreten. Wir möchten zwischen Eurem und unserem Haus kein Blut vergießen, zu Ehren unserer gesegneten Schwester, die nun unter den Tausend Göttern wandelt. Im Gedenken an Felicianda werde ich es zulassen, dass Ihr Euch zu Euren Grenzen zurückzieht.«
»Felicianda war eine Verräterin«, spie Hal aus. Rani konnte nicht umhin zu denken, dass seine Worte mehr Gewicht hätten, wenn er auf einem Pferd säße, wenn er Sin Hazar in die Augen blicken könnte. Der amanthianische König dachte offensichtlich dasselbe. Er drängte seinen Hengst mit klirrendem Geschirr einige Schritte vorwärts, zwang seine Yrathi-Wächter, ihre Pferde beiseitezunehmen. Die Bewegung unterstrich die Gefahr nur noch, in der Hal sich befand.
»Felicianda war unsere Schwester, ein Schwan und eine Prinzessin des Hauses Amanthia!« Sin Hazar zog an den Zügeln seines Streitrosses. »Ich wiederhole, Halaravilli. Ihr habt unser Land widerrechtlich betreten. Wir sind hier herausgeritten, um mit Euch zu verhandeln, damit Ihr begreift, dass unsere Männer sich niemals geschlagen geben werden. Reitet nun und rettet Euch, sonst werdet Ihr Eure Entscheidung bereuen, wenn der Kampf vorüber ist.«
Hals Stimme festigte sich. »Euer Heer hat sich bereits geschlagen gegeben. Ein Junge aus unseren Rängen konnte Euren größten General zu Fall bringen, Euren Al-Marai.«
»Nennt seinen Namen nicht!« Sin Hazars Gesicht verzog sich zu einer Maske des Zorns, und Rani begriff allmählich, warum der König die Sicherheit seines Palastes verlassen hatte, warum er durch seine Stadttore auf die ungeschützte Ebene geritten war. Sin Hazar hatte sein Verlust wahnsinnig gemacht. Er spie hervor: »Nennt den Namen unseres Bruders nicht, des Löwen von Amanthia. Ihr hättet ihn nicht einmal berühren können, wenn Ihr nicht unsere Waffen benutzt hättet. Ihr habt unser Gerät gestohlen! Nun, mit Euren eigenen Waffen habt Ihr keine Hoffnung, irgendeine Schlacht zu gewinnen!«
»Ihr auch nicht, Sin Hazar.« Hals Stimme klang in der frostigen Luft todbringend ruhig. »Ihr könnt auch nicht auf den Sieg hoffen, sonst wärt Ihr nicht hier herausgeritten. Al-Marai würde sich schämen.«
»Bei Jair, Ihr strapaziert unsere Geduld, Ihr Emporkömmling!« Noch während sich Sin Hazars Gesicht vor Zorn rötete, wurde Ranis Blick von seiner Yrathi-Eskorte angezogen. Sie glaubte, eine Hand voll der Männer sei bei dem Fluch ihres Befehlshabers erschrocken. Bevor sie jedoch sicher sein konnte, fuhr Sin Hazar fort: »Wenn Ihr von Scham sprechen wollt, Halaravilli, schaut Euch die Hunde an, die Euch folgen. Ranita Glasmalerin!« Sin Hazar hielt Rani mit seinen ebenholzfarbenen Augen fest. »Habt Ihr Eurem König erzählt, dass Ihr in der dunkelsten Stunde
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