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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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könntest du mit Hartley reden und wüsstest, dass ich keine leeren Drohungen ausstoße.«
    »Ihr seid nur eine Sonne.«
    Shea bewegte sich schneller, als sie für möglich gehalten hätte. Ihre Hand schoss vor, packte Crestmans fleischiges Ohrläppchen und verdrehte es boshaft, während sie ihn zu sich heranzog. Noch während er den Mund zum Protest öffnete, wölbte sie ihre Hand. Sie schlug ihm mit voller Kraft auf die Wange, ließ ihrer Nervosität, ihrer Angst, ihrem Hass auf dieses ungewisse Leben freien Lauf.
    Ihre Finger brannten von der Macht des Schlages, aber sie hielt das Ohr des Jungen weiterhin fest, als er sich zu entwinden versuchte. Ihre Hände waren kräftig nach Jahren des Waschens und Putzens, des Hühnerrupfens und Erbsenschälens. »Nur eine Sonne, Junge?«, fragte sie, aber sie war sich nicht sicher, ob sie die Worte laut aussprach oder sie nur dachte.
    Crestman schrie lautlos auf, ein keuchender Protest, wie ein Kleinkind, das erschrickt, weil es einen steilen Hang hinabfällt. Shea schüttelte ihre brennenden Finger und sah den Jungen mit verzerrtem Gesicht an. »Du hast es herausgefordert, das hast du! Ich habe dir gesagt, du sollst mir zuhören. Ich habe dir gesagt, dass ich diejenige bin, die uns anführt. Ich habe dir das Leben gerettet, du elendes Balg!«
    Shea hörte die Worte von ihren Lippen stürzen und wollte ihre zornigen Sätze zurücknehmen, aber es war zu spät. Die Worte waren gesagt, der Schlag ausgeteilt. Shea zitterte im morgendlichen Sonnenlicht, erinnerte sich an das letzte Mal, als sie Pom geschlagen hatte, das letzte Mal, als sie die Hand gegen ihr eigenes Fleisch und Blut erhoben hatte.
    Das war an dem Tag gewesen, als Pom verkündete, er würde sie verlassen, er würde zum Schwanenschloss reiten. Sie hatte damals widersprochen, hatte Pom gesagt, er dürfte sie nicht allein und ungeschützt im Wald zurücklassen. Pom hatte stolz dagestanden, sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet, so wie es Krieger in seiner Vorstellung schon generationenlang vor ihm getan hatten. Shea hatte sich auf ihn gestürzt, während der Zorn ihre Hände zu Fäusten ballte. Sie hatte auf die Brust ihres Sohnes eingehämmert, ihn mit stummem Zorn geschlagen. Sie konnte nicht glauben, dass er sie im Stich lassen würde, konnte sich nicht vorstellen, dass er seine eigene Mutter allein und ohne Unterstützung im Wald zurücklassen würde…
    Shea konnte sich an diesen Zorn erinnern, als hätte er erst vor wenigen Augenblicken in ihren Adern gepocht. Löwenjungen. Sie waren alle Narren. Sie behaupteten alle, dass die Sterne sie trieben, sie auf ferne Pfade zwangen. Sie behaupteten alle, dass die Himmelskinder an das Schicksal ihrer Geburt gebunden seien. Nun, Shea wusste es inzwischen besser. Sie wusste, dass eine Sonne Entscheidungen treffen konnte, ihr Schicksal entscheiden konnte, selbst wenn sie nicht unter einem der Nachtzeichen geboren war.
    Warum hörten die Löwen nicht auf ihre Mütter? Warum taten sie nicht das Richtige? Warum überließen sie sich nicht der alten Ordnung der Welt?
    »Crestman«, begann Shea und entspannte ihre Hand. Der junge Soldat trat einen Schritt fort, senkte den Kopf und schüttelte ihn wie ein Stier, der Fliegen von seinen Ohren verscheucht. »Ich wollte nicht…«, begann sie und suchte nach Worten. »Ich dachte, dass…«
    Shea brach ab, unfähig zu erklären, was sie gedacht hatte. Vielleicht hätte sie es erklären können, wenn sie eine Eule gewesen wäre. Dann hätte sie vielleicht die Worte zur Verfügung gehabt, um diesem Jungen zu erklären, dass sie ihm nicht hatte wehtun wollen. Sie trat vor und griff mit ihren rauen, schwieligen Händen nach seinem Handgelenk.
    Crestman sprang zurück, als hätte ihre Berührung ihn verbrannt, und sein Protestschrei durchbrach Sheas trübes Elend. Bevor sie jedoch reden konnte, sah sie, dass Crestman den Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel gezogen hatte. Die gebogene Klinge glänzte im feindseligen Sonnenlicht, und Shea wich überrascht zurück. »Junge! Du brauchst keinen Stahl!«
    Bevor sie ihrer Bestürzung Ausdruck verleihen konnte, stieß Crestman einen Zischlaut aus und deutete mit dem Kinn auf Shea. Nein, nicht auf sie, wie sie mit rebellierendem Magen erkannte. An ihr vorbei. Über ihre Schulter. Shea zwang sich zu atmen, zwang ihre tauben Finger, sich zu dem Küchenmesser zu stehlen, das an ihrer Taille hing. Sie wandte sich langsam um.
    Shea und Crestman waren rasch umzingelt. Eine Kompanie Soldaten

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