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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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nicht. Sie hätte keine Zeit, das Süßblatt zu verwenden, keine Zeit zu backen oder das Kraut auch nur zu klebrigem Sirup einkochen zu lassen. Sie ging weiter und ignorierte den unbewussten Drang. Sie war vielleicht eine Sonnenfrau, aber sie war keine Närrin. Sie würde tun, was getan werden musste, hier und jetzt, und nicht nur das, wozu sie erzogen worden war.
    Bei einer anderen Gelegenheit, ein paar Tage später, liefen sie und Crestman am Rand eines Dorfes entlang. Crestman hatte den größten Teil des Tages damit verbracht, sich über ihre Nahrung zu beklagen, oder genauer, ihren Mangel an Nahrung. Shea hatte ihm zunächst wie eine besorgte Mutter zugehört, aber dann war sie des launischen Jungen müde geworden. Gewiss war er hungrig. Sie ebenso.
    »Warum können wir nicht in eine Schenke gehen, Shea?« Crestman jammerte noch immer, als das Dorf schon hinter ihnen lag.
    »Wir wissen nicht, wer in der Schenke ist, Junge. Wir wissen nicht, was wir vorfinden würden.«
    »Wir würden etwas zu essen und zu trinken vorfinden, zumindest das wissen wir.«
    »Ja, und wie würden wir es bezahlen, Junge?«
    »Ihr habt zwei Kupferheller.«
    »Woher weißt du das?« Shea bemühte sich, die Angst aus ihrer Stimme herauszuhalten, und ließ ihre Worte stattdessen zornig klingen.
    »Ich weiß eben einfach manche Dinge«, erwiderte der Junge eigensinnig.
    Bevor Shea erkannte, was sie tat, wirbelte sie zu dem Löwenjungen herum und umfasste grob seine Kehle. »Du wirst nicht meine Taschen durchsuchen, Junge. Ob wir wachen oder schlafen – ich bin für dich so etwas wie deine Familie, solange wir unterwegs sind. Wenn du dich an mich heranschleichst, während ich schlafe, dann denk daran, was ich dir antun kann. Ich habe dich vielleicht vor meinen Kindern gerettet, aber ich bin nicht darüber erhaben, dir die Kehle durchzuschneiden und deine Leber an die Krähen zu verfüttern, wenn du mir übel mitspielst.«
    Während Shea die Worte aussprach, glaubte sie selbst daran. Sie glaubte an den Zorn, der durch ihre Finger bebte. Crestman musste ihr auch geglaubt haben, denn er ließ von seinem Grollen und Jammern ab. In dieser Nacht nahm Shea die beiden Kupfermünzen aus ihrem verknoteten Taschentuch und ließ sie in das gerissene Leder ihres Schuhs gleiten.
    Schuhe erwiesen sich nur zwei Tage später wieder als Problem. Shea hatte ihre Schuhe niemals so lange getragen wie jetzt unterwegs, und sie hatte sich bereits am ersten Tag ihrer Reise Blasen gelaufen. An jenem ersten Abend hatte sie sich sorgfältig um ihre Füße gekümmert, hatte die schmerzenden, wässrigen Blasen geöffnet und die zarte Haut mit weichem, aus ihren Unterröcken herausgerissenem Stoff verbunden. Während der nächsten Tage hatte sie ein wenig gehumpelt, aber ihre Füße begannen zu heilen, zumindest so weit, dass sie sich auf die anderen Schmerzen eines Körpers konzentrieren konnte, der das harte Leben auf der Straße nicht gewohnt war.
    Crestman fiel dieses Leben anscheinend auch nicht so leicht. Der Junge war gewiss ans Reisen und an magere Vorräte und erbärmliche Unterkünfte gewöhnt. Er war jedoch noch ein im Wachstum befindliches Kind. Shea bemerkte, dass er nach den ersten Tagen hinkte, als ihre eigenen Füße aufgehört hatten zu brennen und sich in einem dumpfen Schmerz einrichteten.
    »Was ist los, Junge? Was ist mit deinen Beinen?«
    »Nichts.«
    »Unsinn. Ich kann sehen, dass du hinkst. Kein Grund, mich anzulügen.«
    »Ihr könnt mir nicht helfen.« Crestman presste die Kiefer zusammen und ging weiter, stählte sich sichtbar gegen das Hinken. Shea konnte die Sache erst weiterverfolgen, als sie später am Vormittag einen Fluss erreichten. Sie deutete auf einige fleischige Pilze am Ufer und runzelte die Stirn, als Crestman auf die Nahrung zustürzte. Als er zurückkam, glitt er auf der nassen Erde aus und fluchte laut, als ihm die Beine wegrutschten.
    »Hüte deine Zunge, Löwenjunge.«
    »Ich bin kein Löwe«, erwiderte er unwillkürlich, schluckte schwer und bot ihr die frisch geernteten Pilze an. Sie rochen nach guter, sauberer Erde. Shea wischte sie an ihren Röcken ab und begann zu kauen, dankbar für die Nahrung in ihrem Magen.
    Crestman ließ sich neben ihr nieder und hob einen Pilz an seine Lippen. Er hatte jedoch noch nicht zu essen begonnen, als Sheas Hand vorschoss und seinen Fußknöchel packte. Dadurch fielen ihre Pilze herab, aber sie hielt den Jungen fest. Ihre Finger trafen auf die Spitze seiner Lederschuhe, prallten hart gegen

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