Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Unentschlossenheit auf seinem Gesicht, seine Unsicherheit, während er die Bedeutung ihrer Bitte ermaß. Er konnte es sich nicht leisten, seine Schutzherren in der Spinnengilde zu verärgern.
Sie streckte eine Hand aus und legte ihre Finger auf sein Handgelenk, so wie er sie erst heute Morgen berührt hatte, als sie ihren Handel besiegelten. Sein Puls schlug stetig und kräftig, und dieser Schlag verlieh ihr den Mut zu sagen: »Kommt schon, Tovin Gaukler. Hypnotisiert mich. Fragt mich nach der Gefolgschaft, und ich sage Euch alles, was ich weiß.« Sie schluckte schwer. »Alles.«
»Einfach alles.«
»Ja.« Sie wunderte sich darüber, noch während sie zustimmte. Sie würde ihm Hals Namen nennen. Hals und Mairs und die aller anderen Verbündeten. Nichts von Wert wurde jemals ohne Risiko erlangt. »Einfach alles«, wiederholte sie. »Wenn Ihr uns mit zur Spinnengilde nehmt.«
»Also gut«, sagte Tovin schließlich. »Dann lass dich von mir hypnotisieren, Ranita Glasmalerin.«
Sie ließ sich zu dem Strohlager führen und zwang sich, langsam zu atmen, während Tovin sie aufforderte, in ein Paneel aus karmesinrotem Glas zu schauen, in einen Farbteich so rot wie Blut, so tiefrot wie Hals Uniform. Sie atmete aus und zog sich an den Strom zurück, zu dem Tovin sie zuerst geführt hatte. Sie stellte sich vor, wie sie neben dem rasch fließenden Gewässer stand, das alle Pflicht und Verantwortung und Angst und Respekt davontrug.
Und als Tovin ihr Fragen stellte, antwortete sie, nannte Namen, teilte Geheimnisse und erkaufte sich so ihren Zugang zur Spinnengilde.
Sie würde alles für die Octolaris und die Bäume einhandeln, für eintausend Goldbarren. Sie würde handeln, um der Gefolgschaft ihr Lösegeld zu zahlen. Sie würde Tovins Fragen in der Hoffnung beantworten, Hal und ganz Morenia damit zu retten.
13
Mareka schaute zur Tür ihres kleinen Raumes und wünschte sich erneut, sie hätte ein Schloss. Sie hatte ihre Kleider über die Spinnenkäfige drapiert und deren Bewohner so vor jedermann verborgen, der zufällig hereinkam. Sie konnte jedoch den großen Korb nicht verbergen, den sie unter ihrem Bett hervorgezerrt hatte. Darin lagen die gelben Riberryblätter, die zu Staub zerfielen, und die ausgetrockneten Raupen, die sie von den gesunden fortzupfte. Sie musste entscheiden, wie viele Raupen übrig blieben, wie viel länger sie ihre Octolarishorde noch unterhalten konnte.
Sie trat zur Tür, legte ein Ohr an deren Eichenbohlen und stellte fest, dass sie auf der anderen Seite niemanden hören konnte. Dieser Flügel des Palastes war tagsüber üblicherweise verwaist, aber sie konnte nicht vorsichtig genug sein.
Mareka fragte sich, was sie sich dabei gedacht hatte, als sie die giftigen Octolaris aus dem Gildehaus fortgeschafft hatte. Es wurde zunehmend schwieriger, mit ihnen umzugehen, wenn die Brutzeit nahte. Die brütenden Weibchen wickelten ihre Eisäcke wiederholt in frische Seide und legten als Nahrung für die hungrigen, frisch ausgebrüteten Jungspinnen neue Schichten ab.
Wenigstens hatte die bevorstehende Ausbrütung den Appetit der weiblichen Spinnen verringert. Sonst wäre Marekas Vorrat an Raupen schon längst erschöpft.
Erstaunlicherweise sponnen die Octolaris, trotz der reduzierten Nahrung und ihrer Sorge um die Eisäcke, weiterhin Schichten glänzender Seide, doppelt so viel wie normale Spinnen. Aber selbst diese Freigebigkeit wurde zu einer Verpflichtung. Mareka hatte nie geplant, große Mengen zu horten. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, das Werk der Spinnen zu verbrennen, das Produkt ihrer harten Arbeit zu vernichten, auch wenn das sicherer gewesen wäre. Sie hatte ihre Truhe mit dem Zeug gefüllt und unter ihr Bett gestopft. Nun ging ihr allmählich der Platz aus.
»So«, murmelte sie leise, während sie zwei kräftige Finger ausstreckte, um blinde Raupen aus ihrem großen Behälter zu nehmen. »Sehen wir mal nach, wie viele von euch noch leben.«
Sie schüttete die Tiere in ein Eisengefäß, einen Topf, den sie aus der Küche entwendet hatte, als der Koch beschäftigt war. Daraus könnten die Raupen nicht entkommen und blindlings durch König Teheboths Palast kriechen. Während sie sie umsetzte, zählte sie im Stillen. Eine, zwei, drei, vier. Fünf, sechs, sieben, acht. Acht Raupen.
Die Tiere hatten erstaunlich gut überlebt. Dennoch würden sie in dem Korb keine Kokons spinnen, so dass keine gemusterten Falter schlüpfen würden. Was sollte Mareka tun, wenn dieser Vorrat verbraucht
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