Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
kleinen Raum wider wie ein Donnerschlag. »Spiel keine Spielchen mit mir!« Mareka schüttelte benommen den Kopf und hob eine Handfläche zu ihrem brennenden Wangenknochen. »Wie viele Spinnen hast du gestohlen?«
»Ich bin keine Diebin!« Mareka zwängte ihren Körper zwischen Jerusha und die Raupen. »Die Gilde hatte kein Interesse an diesen Octolaris! Sie wollten sie töten!«
»Wollten…«, war Jerusha im Begriff zu wiederholen und schien dann die volle Bedeutung der Worte zu begreifen. »Du hast meine Spinnen genommen!«
»Sie gehörten nicht dir!«
»Es waren diejenigen, um die ich mich kümmern sollte, diejenigen, die ich füttern sollte.«
»Und das hast du fein hingekriegt.« Mareka bemühte sich, das Bild des sich krümmenden Sklavenmädchens zu verdrängen, aber sie konnte Serenas geschwollene Lippen, ihren gebrochenen Rücken nicht vergessen.
Jerusha ignorierte den Spott. »Aber warum hast du sie hierher gebracht? Nach Liantine?«
»Nachdem ich sie vor dem Scheiterhaufen gerettet hatte, wie konnte ich sie da bei der Spinnengilde lassen? Sie fressen mehr als normale Spinnen. Sie fressen mehr, also produzieren sie auch mehr. Das hast du doch bestimmt noch nicht vergessen?«
»Ich habe nichts vergessen! Lass sie mich sehen.«
Mareka improvisierte. »Es wäre zu gefährlich. Man kann mit den Weibchen nicht ohne eine volle Dosis Nektar umgehen. Die Jungspinnen schlüpfen bald.«
»Schlüpfen! Du musst sie nach Hause bringen!«
»Ich habe zuerst noch eine Aufgabe zu erledigen.«
»Eine Aufgabe? In Liantine?«
Mareka würde Jerusha nichts über das Geheimnis ihres Leibes erzählen. Die Neuigkeit war ihr noch zu kostbar, zu wichtig, um sie mit einer Rivalin zu teilen, nicht einmal, um zu prahlen. Stattdessen entschied sie sich für den Angriff. »Wer bist du, dass du mir sagst, ich solle sie nach Hause bringen? Du bist eifersüchtig, nicht wahr? Du willst nicht, dass ich bei der Versammlung zur Gesellin aufsteige.« Zorn flammte in Jerushas Augen auf, und Mareka schlug in die Kerbe. »Hast du es dem Prinzen überhaupt schon erklärt? Hast du ihm gesagt, dass du den Hof wieder verlassen musst, zum Mittwinter in die Enklave zurückkehren musst?« Nein. Und Jerushas aufflammendem Zorn nach zu urteilen, fürchtete sie sich davor. »Vielleicht kannst du es ihm nicht erzählen. Vielleicht erkennst du, dass er dich fallenlassen wird, entscheiden wird, du seist die Schwierigkeit nicht wert, königliche Verpflichtungen gegen gewöhnliche Gildebedürfnisse abzuwägen.«
Jerushas Schrei war purer Zorn – Mareka hatte nicht erkannt, wie sehr ihr Hohn treffen würde. Sie hatte kaum einen Moment Zeit, sich zu wappnen, als Jerusha sich auch schon auf sie stürzte, starre Finger ausstreckte, um ihr die Augen auszustechen, ihr das Gesicht zu zerkratzen. Mareka wich dem ersten Angriff aus, aber Jerusha wandte sich wieder um und brachte sie mit einem schweren Schlag auf die Brust zu Fall.
Jerusha setzte sich rittlings auf ihre Rivalin und schlug Mareka mit geballten Fäusten ins Gesicht. Sie schlug hart zu, und es kostete Mareka all ihre Kraft, sich zur Seite zu drehen und Jerusha aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mareka rollte sich zu einer Kugel zusammen, bemüht, ihren Bauch zu schützen.
Ein rascher Blick zeigte ihr, dass Jerushas Gesicht wutverzerrt war. Der Gesellin lief die Nase, während sie schluchzte und Tränen sich mit Schleim und Schweiß vermischten. Ihr Mund war zu einem schmerzverzerrten Grinsen verzogen, und sie klagte die ganze Zeit wie ein verzweifeltes Tier.
Mareka konnte nicht weiterkämpfen. Sie konnte nicht auf dem Holzboden liegen bleiben und darauf warten, dass Jerusha einen einzigen, perfekten Schlag anbrachte, darauf warten, dass die Prinzessin das Kind verletzte, das Mareka in sich sicher glaubte.
Sie wartete, bis Jerusha sich zurücklehnte, bis sie nach Atem rang. Dann, als alles im Ungleichgewicht war, als Jerusha völlig unvorbereitet war, sprang Mareka vom Boden hoch. Sie zerrte den Eisentopf unter dem Bett hervor und rannte zur Tür hinaus. Jerusha brauchte nur einen Moment, um sich zu erholen, und dann lief auch sie, Hohnrufe und Flüche ausstoßend, durch die Gänge. Mareka betrat geduckt den Besucherflügel des Schlosses, die Prinzessin dicht hinter ihr. Nun musste sie ihre Hoffnung auf ein ungestörtes Leben in Würde aufgeben und auch die Hoffnung auf das Überleben all ihrer Octolaris.
Hal verzog das Gesicht, goss einen Becher Grünwein ein und bot ihn Pater Siritalanu
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