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Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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ein Ärmel war zerrissen. Er konnte durch die Seidenreste ihren Arm sehen, gequetscht und blutend. Ihr Haar war zerzaust und verfilzt, und sie barg einen Eisentopf an ihrer Hüfte. Ihre Finger umklammerten das Metall, als enthielte es die Geheimnisse all der Tausend Götter.
    »Mylady«, gelang es Hal zu sagen, während er zur Tür hinter ihr schaute. Jerushas Stimme ertönte wie das zornige Summen einer Wespe durch das Holz. Sie schlug mit den Fäusten gegen die Eiche und schrie beleidigende Spekulationen über ihre und seine Eltern hinaus. Er sorgte sich einen kurzen Augenblick um die Sicherheit seines Knappen, aber dann stieß die Prinzessin einen schrecklichen Fluch aus und stürmte davon.
    »Mylord«, sagte Mareka, taumelte vorwärts und sank in einen zitternden Hofknicks.
    »Bitte, Mylady!«, protestierte er verwirrt und half ihr auf. Eine Quetschung breitete sich auf ihrer Wange aus, und er konnte den deutlichen Abdruck von jemandes Hand auf ihrer Haut erkennen. Ihre Nase blutete, und sie hatte sich die Unterlippe durchbissen.
    Konnte dies die Frau sein, die er seit einem Monat mied? Konnte dies die Verführerin sein, die sich in seine Träume gestohlen hatte, seine Gebete sabotierte? »Was ist passiert, Mareka?«
    »Es… es ist nichts, Mylord.« Ihre Stimme klang heiser und rau, gebrochen.
    »Nichts!«
    »Es ist eine Angelegenheit der Spinnengilde, zwischen Jerusha und mir.«
    »Du hast es dadurch, dass du hierherkamst, auch zu meiner Angelegenheit gemacht.«
    »Ich wollte nicht hierherkommen! Sie hat mich diesen Gang hinabgejagt! Sie hat mich wie eine Wahnsinnige gehetzt!«
    »Warum hat sie das getan?«
    Mareka schaute auf den Topf hinab, den sie barg, aber sie verweigerte die Antwort.
    Hal seufzte und wandte sich dem niedrigen Tisch mit Waschbecken und Wasserkrug zu, der neben seinem Kamin stand. Farso hatte beides dort gelassen, nachdem er Hal bei seinen Morgenwaschungen geholfen hatte, und Teheboths Dienstboten hatten sie noch nicht fortgeräumt. Hal nahm schweigend ein Stück Leinen hoch, tauchte es in das saubere Wasser und bot es dem Spinnengildelehrling dar.
    Sie sah ihn verständnislos an, bis er auf ihr Gesicht deutete. Da nahm sie das Tuch und berührte damit ihre Lippe. Sie keuchte unter dem Schmerz und zog die Hand wieder fort, wobei sie fast den Topf fallen ließ.
    Er streckte die Hand aus, um ihr zu helfen, indem er das Gefäß nehmen wollte. »Nein!«, rief sie.
    »Es tut mir leid.« Er wusste nicht, was er tun sollte, wohin er schauen sollte, was er mit seinen Händen anfangen sollte.
    Sie betupfte immer wieder ihr Gesicht und verzog es, wenn sie jeweils die karmesinrote Verfärbung des Tuches sah. Er sah, wie sie sich stählte, beobachtete, wie sie Schultern und Kinn straffte, und dann tupfte sie erneut, fuhr fort, bis die Blutung stoppte. Anstatt ihm das beschmutzte Tuch zurückzugeben, trat sie an ihm vorbei zum Tisch.
    Hal atmete ein, als sie vorüberging, sog einen Sturm der Erinnerungen ein. Er erinnerte sich der Hitze ihres Körpers in seinen Armen, der sanften Kraft ihrer Finger, die sich um seine Haut schlossen. Er erinnerte sich des Geruchs ihrer Haare, der Wolke von Macht, die sie zu umgeben schien. Er erinnerte sich ihrer hungrigen Lippen…
    Aber das alles war Erinnerung. Das berauschende, gedankenlose Verlangen war vergangen. Sie war keine Verführerin mehr, keine Xanthippe, nicht die geheime Liebe, nach der er sich des Nachts sehnte. Sie war eine gewöhnliche Frau. Eine geschundene und atemlose, verängstigte, zitternde, gewöhnliche Frau.
    »Ich habe etwas sehr Falsches getan, Mylord.« Endlich. Worte. »Ich habe mein Volk bestohlen. Meine Gilde.«
    »Bestohlen?« Seine Stimme war neutral. Natürlich stahlen Lehrlinge. Sie nahmen Werkzeuge und Vorräte mit. Sie rangen dem Quartiermeister zusätzliche Kleidung und der Speisekammer zusätzliche Nahrung ab.
    »Es sind die Spinnen.«
    »Ja.« Er wartete auf ihre Erklärung, was sie genommen hätte.
    »Die Octolaris.«
    »Ja.«
    Sie sah ihn finster an, während ihre Augen unter der Sturmwolke ihres Haars Funken sprühten. »Ich habe dem Gildehaus Spinnen gestohlen! Ich nahm die Octolaris, und ich habe sie hier in Liantine!«
    Die Worte trafen ihn wie eine Woge. Octolaris. Die Grundlage des Monopols der Spinnengilde. Hier. In Liantine.
    »Das ist unmöglich.«
    »Natürlich ist das möglich«, fauchte sie. »Ich habe sie mit hierher gebracht, als ich zu Jerushas Hochzeit kam.«
    »Aber wie? Warum? Deine Gilde wird dich vernichten,

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