Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Gauklertricks, um sich in einem großen Raum Gehör zu verschaffen. Rani nahm Zugriff auf ihre Erinnerungen, sammelte die Kraft, die sie erfahren hatte, als sie von Tovin, von Flarissa hypnotisiert worden war. Ein Königreich hing von den Worten ab, die sie als Nächstes äußerte, und sie durfte es nicht aufs Spiel setzen, indem sie zu sanft sprach, indem sie zu unterwürfig war.
Teheboth lachte, das brüllende Gelächter eines Wahnsinnigen. »Die Gesellin spricht?«
»Ja, Mylord. Ich, Ranita Glasmalerin. Die Anführerin der Glasmaler in meinem Land.«
»Und was hättet Ihr zu sagen, was irgendjemand von uns an diesem düsteren Tag hören wollte?«
Rani schaute zu Hal hinüber. Sie sah die Anspannung in seinem Gesicht. Sie sah, wie Mareka Octolaris hinter ihm lauerte. Sie sah, wie Hal eine Hand zu der Amtskette um seinen Hals hob, zu der Halskette der ineinander verflochtenen Js, wie er ihr gerade jetzt zunickte.
Hal wusste nicht, was sie sagen würde. Er wusste nicht, wie sie sprechen würde, was sie tun würde. Aber er legte sein Vertrauen in sie. Er gab sein Königreich in ihre Hände.
Rani trat einen Schritt vor, als steige sie mühelos wieder in die Verhandlungen ein, die sie und Hal vor so langer Zeit in den Privatgemächern des Königs in Moren begonnen hatten. Sie erinnerte sich, wie das Licht damals auf Hals Amtskette geglänzt hatte, wie die Kerzen über den Tisch geschienen hatten. Sie erinnerte sich an den uralten Heiligen Vater, den erschöpften und gebrochenen Mann.
Rani blickte nun durch das Zelt, zum neuen Heiligen Vater. Sie sah, dass Dartulamino sie beobachtete, die Augen zusammenkniff. Er wartete auf sie. Er erwartete etwas von ihr. Sie fragte sich einen kurzen Moment, welches Muster der Mann sich vorstellte, welchen Weg er vor ihr sah. Sah er den Weg als ein heiliger Mann, als ein Priester der Tausend Götter? Sah er ihn als ein Morenianer, als ein seinem König treu ergebener Landsmann? Oder sah er ihn als ein Mitglied der Gefolgschaft, als Soldat in dem Geheimbund, den sie ständig in Frage stellte und immer wieder herausforderte?
Was auch immer den Mann antrieb, was auch immer seine Aufmerksamkeit erregte – Rani wusste, dass sie handeln musste. Sie musste jetzt vortreten und ihr Glas ausgießen, es auf dem kühlenden Stein ausbreiten, bevor es das spröde, brüchige Stadium erreichte. Sie musste bereit sein, die Stücke Morenias zusammenzusetzen, ihr Land zu gestalten.
»Halt, Teheboth Donnerspeer. Ihr werdet Shalindor das Gold nicht zurückbringen lassen.«
»Meine Tochter ist für die Welt gestorben. Euer König könnte ihren Leichnam nicht heiraten, selbst wenn er die Felder der Spinnengilde nicht durchpflügt hätte.«
»Eure Tochter mag für Liantine verloren sein, aber sie ist weit davon entfernt, tot zu sein. Sie kommt als Büßerin zu den Tausend Göttern, als Pilgerin. Sie reist gerade jetzt ins Heimatland des heiligen Jair, wo sie einen Tausendspitzigen Stern anlegen und unter dem Schutz Pater Siritalanus eine geweihte Pilgerreise unternehmen wird.«
»Sie wird keine Braut sein.«
»Aber sie wird das Haus der Tausend Götter betreten.« Rani sah die Antwort sich vor ihr ausbreiten, an ihr vorüberfließen wie Blätter auf einem wirbelnden Strom. »Sie wird das Haus der Tausend Götter betreten, und sie wird sich unter den Schutz des Verteidigers des Glaubens begeben. Sie wird als Pilgerin akzeptiert werden, als eine kluge und heilige Frau akzeptiert werden, wenn sie erst ihre weltlichen Güter dargeboten hat.«
Rani erinnerte sich an ihre eigene kurze Zeit als Pilgerin, an ihre eigene Begegnung mit dem Heiligen Vater, der nun tot war und in Morenia verbrannt worden war. Sie hatte nur eine Puppe anzubieten gehabt, ein Kinderpüppchen. Berylina besaß so viel mehr. »Mit dem Gold wird sich Berylina den Zugang zu dem Haus erkaufen, das ihr ganzes Leben lang auf sie gewartet hat. Überlasst ihre Mitgift Morenias Verteidiger des Glaubens. Überlasst sie Halaravilli ben-Jair.«
»Niemals!«, brüllte Teheboth.
»Es ist bereits geschehen, Mylord.« Rani zwang ihre Stimme zum klingenden Tonfall einer Händlerin, die einen Handel abschließt. Sie klang wie ein Gauner auf dem Marktplatz, der einen bestimmten Handel wittert. Sie trat näher an Teheboth heran, zwischen ihn und Hal. Sie spürte ihren König neben sich, erkannte, dass er rasch atmete, während er Rani ihren Handel vorantreiben ließ. »Denkt nach, Teheboth Donnerspeer. Wollt Ihr, dass behauptet wird, Ihr hättet
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