Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
bereitwillig jeglichem wahrheitssuchenden Trank zustimmen.
Er würde Berylina verlieren. Er würde die liantinische Mitgift verlieren. Er würde der Kirche ihr Geld nicht zurückzahlen können. Nach all seiner Planung, all seinen Manipulationen, all seiner sorgfältigen Überlegungen würde er die Macht seiner Krone an den Heiligen Vater verlieren.
Die tückische Wirkung des Octolarisnektars hielt länger an, als Hal es sich jemals hätte vorstellen können.
Während seine Gedanken rasten und er nach irgendeiner Antwort suchte, hob er den Blick zu Berylinas Pavillon. Wie würde die Prinzessin reagieren? Sie wäre natürlich beschämt und böse. Aber wäre sie nicht gleichzeitig erleichtert? Wäre sie nicht gleichzeitig dankbar, dass sie aus ihrer Verpflichtung befreit wäre? In dem Moment wurde der Eingang von Berylinas Zelt beiseitegezogen, gleich käme sie hervor, um dem Mann gegenüberzutreten, den sie für ihren Bräutigam hielt.
Aber Berylina trat nicht aus dem Zelt.
Stattdessen kam Shalindor hervor. Der Schatzmeister wankte aus dem Pavillon und lief zu den Hochzeitsgästen am Rand des Waldes zurück. Er verlor einen Schuh im Gras, und er taumelte dennoch weiter, drängte sich durch die Menge, zum Podest hinauf.
»Die Prinzessin ist fort!«, rief Shalindor. »Prinzessin Berylina ist fort!«
17
Rani wirbelte zum Schatzmeister herum und sah in sein scharlachrotes Gesicht, während er sich zum Podest vorkämpfte. Das sonst untadelige Haar des Gefolgsmannes stand büschelweise von seinem Kopf ab, und seine Hände zitterten, als er vor seinen König taumelte.
»Was sagt Ihr, Mann?«, bellte Teheboth.
»Sie sind fort!«
»Wer? Berylina und wer?«
»Dieser Priester aus dem Westen. Siritalanu. Die Kindermädchen wurden betäubt und sind gefesselt, alle vier, gefesselt und geknebelt.«
Teheboth brüllte vor Zorn und fuhr zu Hal herum. »Ich weiß nicht, was Ihr dadurch zu gewinnen hofftet, aber Ihr werdet bezahlen!«
Rani konnte erkennen, dass Hal genauso überrascht war wie Teheboth. Der König ganz Morenias sah sich um, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht. Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder, denn er rang offensichtlich um die richtigen Worte, um eine angemessene Erwiderung. Er deutete hilflos auf Berylinas Zelt und dann auf Mareka Octolaris, die noch immer in aller Pracht der Spinnengilde vor ihm stand. »Mylord«, brachte Hal schließlich hervor. »Ich weiß nichts über diese Angelegenheit. Ich bin ebenso überrascht wie Ihr.«
Teheboth fluchte kurz, der Fluch eines enttäuschten, zornigen Mannes. Bevor Hal reagieren konnte, machte der liantinische König auf dem Absatz kehrt. Er stürmte durch die Menge und schritt über das Feld zum Zelt der Prinzessin. Rani wandte sich an Mair.
»Was ist passiert?«
»Ich wusst’ es nich’, aber ich kanns mir vorstellen.« Mair verfiel in ihre Unberührbaren-Mundart, während sie sich aufgeregt umsah. »An der schüchternen Maus is’ mehr dran, als wir gedacht haben!«
»Aber wohin würde sie gehen?«
»Wenn ich raten soll, würd’ ich sagen, zu den Docks. Ich würd’ sagen, dass sie gerade jetzt auf nem Schiff ist, sie und dieser Priester. Sie segeln nach Morenia und beten, dass die Tausend Götter sie vor ihrem Da beschützen.«
»Vor ihrem Da und vor ihrem Verlobten«, sagte Farso und deutete mit dem Kopf auf Hal. Der König war jedoch in eine zornige, geflüsterte Unterhaltung mit Mareka Octolaris verstrickt. Er hatte eine Hand um den Arm der Frau geschlossen und ragte über ihr auf. Ihr einfaches weißes Gewand und ihr glatt herabfallendes Haar ließen sie kindlicher wirken als jemals zuvor.
Rani wusste sofort, dass die Behauptungen des Spinnengildelehrlings wahr sein mussten. Hal hatte so gut wie zugegeben, dass er mit der Frau zusammen gewesen war. Aber wie hatte er sich von dem uralten Band der Vaterschaft einfangen lassen können? Gewiss brauchte er einen Erben für seinen Thron, aber er hätte wissen müssen, dass eine fremde Bürgerliche niemals auf die Zustimmung seiner Ratsherren träfe. Er hätte vorsichtiger sein sollen.
Wie um Ranis Gedanken zu unterstreichen, murmelte die Menge hinter ihr, wobei die geflüsterten Fragen rasch lauter wurden. Sie hörte erstaunte und überraschte Ausrufe, auch verächtliche Ausrufe. Puladarati brüllte nach Ordnung und versammelte bereits den Kern der morenianischen Adligen. Liantinische Lords drangen allmählich über das Feld und stolperten auf den Pavillon der Prinzessin zu. Hal musste
Weitere Kostenlose Bücher