Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
zerbrechen, nur um ihre tausend Barren zu bekommen.«
»Er wird sie von der Mitgift der Prinzessin bezahlen.«
»Das wird er nicht. Er wird nicht um so viel handeln können. Er schuldet der Kirche bis zum Mittsommertag – der rasch herannaht – bereits fünfhundert Barren, und danach noch einmal fünftausend. Das Höchste, was er von Berylina bekommen wird, sind eintausend.«
»Bist du so eine Expertin in königlichem Handeln?«
»Ich habe den Markt studiert.« Rani bemühte sich, die Verbitterung aus ihrer Stimme herauszuhalten. Sie hatte viele Bücher studiert, als sie sich auf ihr Glasmalerkönnen konzentrieren sollte. Sie hatte die Geschichte Morenias gelesen – und auch die Amanthias. Sie begriff die Grenzen eines Brautpreises. Besonders wenn der Bräutigam verzweifelt war.
»Dann wird er eine andere Möglichkeit finden. Er wird auf irgendeine andere Weise Geld aufbringen.«
»Nichts bringt so viel Geld ein, Mair.«
»Manche Dinge schon. Selbst nach Gold graben. Sklaven. Das Spinnenseide-Monopol.«
Nach Gold graben – als hätte Morenia das Glück, solche Schätze in seinem Boden zu finden. Sklaven – selbst wenn Hal geneigt gewesen wäre, seine treuen Untertanen zu verkaufen, hatte er in Amanthia genug Elend gesehen, um diesen Gedanken zu verwerfen. Aber die Spinnenseide…
Rani setzte sich auf. »Spinnenseide…«, wiederholte sie. Mair betrachtete sie in der Dämmerung. »Denk nicht einmal darüber nach. Du brauchst Spinnen, Rai. Riberrybäume. Gemusterte Raupen.«
»Aber wie viele? Wir könnten das tun, Mair!«
»Du bist eine bessere Händlerin, Rai. Meinst du nicht, das hätten schon andere versucht?« Mair schüttelte den Kopf. »Sie werden diese Spinnen schützen, die Bäume schützen – ihr Leben hängt davon ab. Außerdem, wenn es dir gelänge, sie zu stehlen, wie würdest du über Nacht einen Markt errichten? Du müsstest geübte Spinner, Weber, Färber finden. Du müsstest Händler auf Handelsmessen schicken, deine Waren in ganz Morenia und Amanthia befördern.«
»Ich bin eine bessere Händlerin, Mair. Ich bin gut genug, um zu erkennen, dass wir niemals Erfolg hätten, wenn wir den Seidenhandel allein bewältigen wollten, so wie die Gilde es jetzt tut.«
»Was sonst würdest du tun?«
Rani sah den Plan sich vor ihr entfalten, als hätte sie eine Seite in einem Buch umgewandt. »Wir könnten das Seidenmonopol unter Hals Adligen aufteilen. Wir könnten uns die Steuerlisten ansehen. Es gibt zwischen Morenia und Amanthia gewiss hundert Landadelige. Man könnte von jedem verlangen, einen Riberrybaum, gemusterte Raupen, eine Hand voll Spinnen zu kaufen. Jeder könnte an die Krone bezahlen… zehn Goldbarren für das Privileg. Zu Anfang zehn Goldbarren, und dann zehn Barren am Ende jedes nachfolgenden Jahres, wie Abgaben für Land oder einen Marktstand – eine Genehmigung. Das sind Hals tausend Barren für die Gefolgschaft – mehr, wenn er weitere Bäume erlangt.«
»Genehmigung! Warum sie nicht direkt besteuern?«
»Sie werden nicht mehr Steuern zahlen. Sie werden bereits hart besteuert – vor drei Jahren für den Feldzug in Amanthia und vor zwei Monaten für die ersten durch das Feuer verursachten Kosten. Du weißt, dass die Grenzherren unruhig sind. Sie werden sich beim ersten Hinweis darauf auflehnen, dass sie noch stärker belastet werden sollen. Aber wenn sie etwas für ihre Zahlung bekommen, wenn sie Herren der kostbaren Octolaris werden…«
»Das sind alles Hirngespinste, Rai. Du wirst diese Spinnen niemals bekommen. Diese Bäume niemals bekommen.«
»Aber wenn ich es könnte, Mair. Stell dir nur vor, wenn ich es könnte!«
»Wie viele morenianische Adlige werden einen Riberrybaum am Leben erhalten können? Sie sind empfindlich, nach allem, was wir gehört haben. Und die Spinnen sind giftig.«
»Was macht das schon? Sie werden dafür bezahlen, es zu versuchen. Wir werden ihnen so gut wie möglich helfen. Wenn sie versagen oder wenn sie die Octolaris fürchten, wird das ihr Problem sein. Zehn Goldbarren sind kein unvernünftiger Einsatz für zukünftige Reichtümer. Nicht wenn jemand ein Ritter des Ordens der Octolaris werden kann!«
»Des was?«
»Hal kann einen neuen Ritterorden gründen. Er kann Davin befehlen, eine Schärpe oder ein Schmuckstück zu entwerfen, irgendetwas. Die Adligen werden sich ihm bei seinem Bestreben anschließen wollen!«
Mair wandte ihren Blick wieder dem Fluss zu, ließ die stille Nacht Ranis Begeisterung davontragen. »Es gibt nur ein
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