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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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würden seinen Namen ehren, wenn sie nach Brianta reisten, wenn sie den Glanz und die Macht sahen, welche die Glasmaler all den Tausend Göttern dargebracht hatten.
    Und dann wäre die Gilde frei von nichtiger, briantanischer Politik. Keine Gefolgschaft würde die Dinge mehr lenken. Keine Almosen wären mehr nötig, um die täglichen Sammlungen der Priester zu bedienen. Parion würde sich zurücklehnen und zusehen, wie sein Reich anwuchs… Sein Glasmalerreich. Seine wiederhergestellte Gilde.
    Und wenn er es erwählte, wenn er es wollte, wenn er dachte, dass Morenia genug gelitten hätte, dann würde er ans Haus ben-Jair herantreten. Dann würde er seine Dienste anbieten sowie die Dienste aller ihm unterstellten Glasmaler. Dann würde er mehr Geld scheffeln, als irgendein Gildemeister jemals erträumt hatte. Er würde die Glasmaler zu den reichsten Gildeleuten in ganz Morenia, in ganz Brianta, auf der ganzen Welt machen…
    Parion blinzelte, überrascht, sich noch im Werkraum der Gesellen zu befinden. Er beobachtete, wie Larinda eine Lampe heranholte, und dieses eine Mal wandte er den Blick nicht von ihren Händen ab. Sie ging mit gekonnter Drehung der Finger und Beugung der Handgelenke mit der Spinnenseide und dem Leder um. Würde genau in diesem Moment ein Gott von den Himmlischen Gefilden herabsteigen, ohne das geringste Wissen darüber, wie die Hände eines Menschen funktionieren sollten, würde er nicht glauben, dass etwas im Argen lag. Er würde Larinda in keiner Weise als makelbehaftet ansehen.
    »Lass mich deine Zeichnungen sehen, Larinda Glasmalerin«, sagte Parion, während das Mädchen zurücktrat.
    »Hier, Meister.« Sie zögerte nur einen Moment, bevor sie eine Leinenabdeckung von ihrem gekalkten Tisch anhob und die schweren Zeichenkohlelinien darunter offenbarte.
    Parion sog den Atem ein. Larinda war wagemutiger, als er jemals erwartet hätte. Sie hatte Clain als Thema ihrer Prüfung erwählt. Der Gott der Glasmaler. Larinda Glasmalerin hatte das Gildehaus ihrer Jugend wiederauferstehen lassen, jede makellose Linie das Heim erhellend, das sie gekannt hatte, bevor sie ihre Daumen verlor, bevor ihr Leben ruiniert wurde.
    Ihre Zeichnung war perfekt. Sie fing jede Linie ein, jeden Pfosten, jeden Bogen, jeden Fensterrahmen und jede Tür. »Wie konntest du?…«, wollte er fragen, aber er brach ab. Er trat ans Ende des Tisches und betrachtete die Zeichnung von der gegenüberliegenden Seite aus. Perfektion. »Du warst noch ein Kind, als das Gildehaus fiel. Wie konntest du es so vollkommen einfangen?«
    »Ich sehe es jede Nacht, Meister. Jede Nacht im Schlaf.« Larindas Arm zuckte, während sie sprach, und sie runzelte deshalb die Stirn, während sie sich wieder unter Kontrolle brachte. Etwas an der Bewegung ließ Parion seine Aufmerksamkeit wieder dem Tisch zuwenden, ließ ihn das Muster genauer betrachten.
    Nun konnte Parion den Zorn in der Erinnerung erkennen. Er konnte die schrecklich schweren Bleiverbindungen sehen, die Larinda skizziert hatte. Er konnte das dicke Glas sehen, das sie gestaltet hatte, so dunkles, mattes Karmesinrot, dass es schwarz erscheinen würde. Das Paneel war keine Frage von Schönheit. Es war eine Landschaft der Qual, des Kummers.
    Parion zwang sich, unbewegt zu sprechen, ignorierte seinen eigenen Schmerz des Verlustes. »Sage mir, Gesellin. Auf welchem Rang siehst du dich selbst im Vergleich mit den anderen, die um den Titel des Meisters konkurrieren?«
    »Auf welchem Rang?« Sie hätte diese Formulierung ebenso gut noch nie gehört haben können. Sie hielt den Blick stetig auf ihn gerichtet, schaute nicht zu den vier Gildeleuten, die den Austausch quer durch den Raum mit offenem Interesse beobachteten.
    »Ja. Bist du die beste meiner Gesellen? Bist du die beste, die die Gilde zu bieten hat?«
    Er konnte sie mit der Frage hadern sehen, Stolz und Bescheidenheit in ihrem aufdringlichen, berechnenden Geist gegeneinander abwägen sehen. Sie richtete ihren Blick auf die Zeichnung, und ihr Gesicht verwandelte sich, während sie die Linien betrachtete, die gewesene Qual und den Kummer und den Schmerz der Glasmalergilde in sich aufnahm. »Ich bin besser als Sharlithi und Cosino und Tomuru. Ich arbeite in einem völlig anderen Stil als Wario und Cordio und Belita. Wie Ihr wisst, haben sie ihre Kunstfertigkeit im Norden erlernt.«
    Und die Verräterin, wollte er fragen. »Und Ranita Glasmalerin?«
    Larinda schürzte die Lippen, als hätte sie in eine unreife Pflaume gebissen. »Sie ist gut,

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