Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
beugen. Der Gefolgsmann konnte vielleicht gefährlich schnell mit einer Klinge umgehen, er hatte vielleicht aus dem Nichts angegriffen, aber er schien sein Geschäft zu beherrschen. Er hatte keinen dauerhaften ‘ Schaden angerichtet.
Parion schaute von dem karmesinrot befleckten Leinen auf. »Wir werden sie prüfen«, zischte er durch zusammengebissene Zähne. »Wir werden Ranita Glasmalerin prüfen, und wir werden entscheiden, ob sie besteht.«
»Denkt nur daran, Glasmaler. Denkt nur daran, was auf dem Spiel steht, wenn Ihr Eure Entscheidung trefft.« Der Gefolgsmann hielt einen langen Moment auf der Schwelle inne, und Parion verlangte es danach, die Kapuze herunterzureißen, verlangte es danach, die Identität seines Peinigers zu erkennen. Die Gestalt flüsterte: »Wenn Ihr klug seid, werdet Ihr mit Eurer Entscheidung warten. Wenn Ihr klug seid, werdet Ihr darauf warten, dass wir Euch sagen, wie Ranita Glasmalerin abschneidet.«
Und dann war die Bedrohung vorbei. Der Gefolgsmann verbeugte sich leicht und trat geduckt durch die Tür. Parions Augen verengten sich, als er sah, wie sich die Gestalt am Türrahmen festhielt, als leide er Schmerzen, als brauche er eine Stütze. Parion konnte die Schritte des Gefolgsmannes sich den Gang hinab entfernen hören, ein Bein wie ein schweres Gewicht, einen unermesslichen Verlust nachgezogen.
Parion fluchte, während er sich wieder dem Werktisch zuwandte. In einem Augenblick erstickenden Zorns wischte er mit seinem unverletzten Arm über die Oberfläche des Tisches und fegte sein ursprüngliches Opfer an die Tausend Götter hinab. Unzählige Glasstücke klapperten über die Tischplatte, gegen den Fenstersims, auf den Boden. Parion fluchte erneut und trat dagegen, verfluchte ein Dutzend Götter.
Moradas Medaillon war glatt durchgebrochen, ermahnte er sich. Vielleicht konnte er die Teile wieder verschmelzen. Vielleicht konnte er sie zu einem einzigen Rund ohne den ursprünglichen Makel verschmelzen. Er könnte die Bruchstücke in einem Brennofen härten, sie zu einem neuen Ganzen zusammenfügen, einem perfekten Ganzen…
Ach, Morada, dachte er. Wenn du nur hier wärst. Wenn du mir nur sagen könntest, was ich tun soll…
Es wäre so leicht, die Verräterin ungeachtet jeglicher Anweisungen der Gefolgschaft bei ihrer Prüfung durchfallen zu lassen. Er könnte ihr Gesicht beobachten, die eifrige Erwartung in ihren Augen sehen. Er könnte ihre Aufregung bezeugen, wenn sie ihr Meisterstück präsentierte, wenn sie den Höhepunkt all ihrer Mühen darbot. Er hatte im Laufe der Zeit andere Lehrlinge beobachtet. Er kannte die Macht ihrer Hoffnung, ihrer Träume.
Sie würde leiden, wenn sie abgewiesen würde. Sie würde in Selbstzweifel verfallen, in Angst, in Sorge. Sie wäre allein und verloren. Er hatte Macht über sie. Er könnte sie bezahlen lassen. Er könnte Opfer von ihr fordern, wie er Opfer gebracht hatte. Sie würde die Liebe der Gilde verlieren, wie er seine Liebe verloren hatte. Sie würde leiden, leiden, leiden…
Aber was wäre, wenn die Gefolgschaft forderte, dass die Verräterin ihre Prüfung bestand? Könnte Parion das tun? Könnte er seine Macht aufgeben? Könnte er die Macht des Gildemeisters abtreten, für die Gefolgschaft die größte Leistung seines Lebens aufgeben? Und was war mit der Rache, die er bereits ersonnen hatte? Könnte er sie aufgeben? Könnte er ändern, was er bereits geschaffen hatte?
Was würde die Gefolgschaft fordern?
Morada … Was soll ich tun? Soll ich mich ihnen beugen? Soll ich sie entscheiden lassen?
Das zerbrochene Medaillon sah wie die leeren Augen eines Idioten zu ihm hoch.
Was wusste Parion wirklich von den Fähigkeiten der Verräterin, von der Wahrscheinlichkeit, dass sie die Gildeprüfung ohne Eingreifen bestehen würde? Er hatte in den vergangenen wenigen Tagen nur kostbar wenige Stunden Zeit gehabt, irgendeinen der Gesellen zu beobachten. Er hatte sich fast vollständig auf andere Glasmaler verlassen, besonders auf Larinda, damit sie ihm sagten, wie die Gesellen vorankamen.
Nun, zumindest das könnte er ändern. Er könnte genauere Informationen sammeln. Er könnte erfahren, wo all die konkurrierenden Gesellen standen.
Er zögerte nur einen Moment, bevor er ein Stück Leinen aus einer Schublade nahm. Er sammelte die beiden Teile von Moradas Medaillon auf und wickelte das zerbrochene Glas vorsichtig ein. Als er es neben seine Kiste legte, konnte er spüren, wie es seinen Herzschlag verlangsamte, seinen Geist
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