Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
Turmraum zuschlug. Er blickte zurück und sah Rani Händlerin noch immer auf den Knien. Er sah, wie sie eine Hand nach ihm ausstreckte, wie ein Pilger nach Weisheit griff. Er sah die Tränen ihre bleichen, bleichen Wangen hinablaufen, und er sah den verbitterten Zug um ihre Lippen.
Er sah, und er begriff, dass er den Feind in sein Haus eingeladen hatte. Er wusste, dass Rani vor nichts Halt machen würde, um Mareka zum Gehen zu bewegen. Er wusste, dass er handeln musste. Er würde Rani Händlerin von dem Übel abhalten müssen, welches auch immer sie plante. Er würde sie davon abhalten müssen, Mareka und Morenia und das Haus ben-Jair zu vernichten.
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Rani Händlerin stand im Eingang und schüttelte den Kopf, während sie sich in dem einfachen Raum umsah. Ihr Schlafzimmer schien so groß. Es war Monate her, seit sie die Abgeschiedenheit ihrer Räume genossen hatte, eine Zimmerflucht, die allein für sie bestimmt war, ohne Störung durch jemand anderen. In Brianta hatte sie sich einen Raum mit Mair und Laranifarso geteilt. Auf dem Rückweg hatte sie in gemeinschaftlichen Gasthausräumen gekauert. Nun schien der einfache Raum sauber und frisch und gut.
Und leer.
Rani fluchte und wandte sich auf dem Absatz um. Wohin mochte Tovin gegangen sein? Sie hatte die Drohung auf seinem Gesicht erkannt, das Wissen, dass er sich ihrem Befehl nicht freudig unterordnete, sie nicht gern mit Hal allein ließ. Sie hatte jedoch keine andere Wahl gehabt. Sie hatte mit dem König allein sprechen müssen, hatte versuchen, versuchen, versuchen müssen, ihn davon zu überzeugen, Mareka aufzugeben.
Ohne sich dessen bewusst zu sein, griff Rani erneut in ihre Röcke, in die Tasche, in der noch immer das unberührte Glasfläschchen mit dem Gift steckte. Sie hatte geglaubt, die perfekte Lösung gefunden zu haben. Wenn sie Hal überzeugen könnte, Mareka fortzuschicken, würde die Gefolgschaft Rani vielleicht von ihrer Verpflichtung befreien. Ihr Ziel wäre dann immerhin erfüllt. Mareka wäre aus Hals Leben verschwunden. Sie wäre kein Faktor in den Plänen der Geheimorganisation mehr. Rani würde sich später Gedanken darüber machen, Hal selbst zu beschützen.
Die Pläne der Gefolgschaft… Rani hatte Gedanken über jene Machenschaften sorgfältig vermieden. Es war eindeutig, dass die Gefolgschaft Hal loswerden wollte. Sie wollten das Ende des Hauses ben-Jair. Ranis Magen verkrampfte sich, und sie nahm das Pergament hervor, das sie auf Hals Schreibtisch gefunden hatte.
Sie hatte seine Privatsphäre nicht verletzt, sagte sie sich zum hundertsten Mal. Er hatte sie in seinem Arbeitszimmer zurückgelassen, sie mit den Dokumenten allein gelassen. Sie war verpflichtet gewesen herauszufinden, was im Königreich vor sich ging, welche entscheidenden Ereignisse sie verpasst hatte, während sie in Brianta war. Es war nicht ihr Fehler, dass sie ihre Hand unmittelbar auf das zerknitterte Pergament gelegt hatte, als sie aufstand. Es war nicht ihr Fehler, dass die Botschaft fesselnder war als jegliche Zahlen über den Verkauf von Spinnenseide. Es war nicht ihr Fehler, dass Lügen und Manipulationen sie eher angezogen hatten, als eine Abrechnung über Steuern aus schlecht besuchten Sommerjährmärkten.
Crestman. Rani hatte die Handschrift des Mannes sofort erkannt. Sie hatte sie oft genug bei den Briefen gesehen, die sie vor Jahren ausgetauscht hatten, während der ruhigen Zeit nach der Befreiung des Kleinen Heers. Er hatte eine seltsame Art, die Buchstaben schräg zu stellen, als hielte er das Pergament rechtwinklig zum Körper. Seine Buchstaben waren stets kräftiger in die Oberfläche eingekratzt, als jeder Schreiber verzeihen würde.
Kraft. Die hatte er gegen sie zu richten versucht, um ihr Leben zu ruinieren, um sie an Hal zu verraten.
Als Rani zurückdachte, konnte sie Hals Heftigkeit an diesem Morgen fast verstehen. Er hatte sie als eine Bedrohung betrachtet. Natürlich hatte er sie als eine Drahtzieherin angesehen. Natürlich hatte er erkannt, dass sie Mareka von der Bequemlichkeit und Sicherheit des Hofes trennen wollte, sie der königlichen Herde entziehen wollte, als wäre sie ein Tier, das von Wölfen gerissen werden müsste.
Crestman hatte dies in Gang gesetzt.
Wie konnte er sie so sehr hassen? Noch während sie sich das erneut fragte, stellte sie sich seinen verdrehten Arm vor, sein nachschleifendes Bein. Das Octolarisgift hatte ihn vernichtet. Crestman war ein Soldat, ein Söldner, ein Kämpfer, der stets seiner
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