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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Körperkraft gemäß gelebt hatte. War dieser Körper verstümmelt, war er vernichtet. Er war nicht mehr der Jugendliche, dem sie vor Jahren in Amanthia begegnet war. Er war nicht mehr der Mann, der sich bei der Erfüllung seiner Pflicht gegenüber dem Hause ben-Jair verschlissen hatte. Er war eine neue Schöpfung, ein wilderes Wesen, ein verzweifeltes Tier, das in seinem Trachten nach Rache vor nichts Halt machen würde.
    Der vor nichts Halt gemacht hatte. Crestman hatte gelogen, damit sie ins Gefängnis geworfen würde, oder Schlimmeres. Er würde genau wissen, welche Strafe Verräter erwartete. Er würde wissen, dass er um Ranis Tod geschachert hatte.
    Rani las die Zeilen ein letztes Mal, dann faltete sie das Pergament zusammen und schob es tief in eine Tasche. Es wäre später noch Zeit genug, sich darum zu kümmern. Zeit genug für sie, Hal zu erklären, dass Crestman sie beide manipuliert hatte.
    Nachdem sie getan hatte, was sie tun musste. Nachdem sie sich um Mareka gekümmert hatte. Nachdem sie Tovin gefunden hatte.
    Ein rascher Blick bestätigte ihr, dass der Staub auf den Stufen zu ihrem Glasmaler-Arbeitsraum im Turm unberührt war. Tovin war nicht dort hinaufgegangen. Sie hatte ihn in die Ställe geschickt, vorgeblich, um ihre Satteltaschen zu holen. Konnte es sein, dass der Gaukler ihre Befehle tatsächlich befolgt hatte? Konnte er noch immer bei den Pferden sein?
    Sie lief die Treppe hinab, ignorierte die bestürzten Blicke von Gefolgsleuten und Wächtern. Die Gänge waren fast leer. Viele Adlige waren nach Hause zurückgekehrt, um die Ernten in ihren Ländern zu beaufsichtigen. Hal würde einen Herbsthof versammeln, aber Moren war während der schwülen Zeit am Ende des Sommers fast verwaist.
    So konnte Rani leicht erkennen, dass Tovin nicht in den Ställen war. Sein großer, kastanienbrauner Hengst stand in einer Box und kaute zufrieden auf dem Heu, das sein Besitzer von Brianta mit zurückgebracht hatte. Jemand hatte das Tier gestriegelt und sich um sein Futter gekümmert, aber es gab keinen Hinweis darauf, dass Tovin diese Pflichten ausgeführt hatte. Tatsächlich war das eher unwahrscheinlich. Einer von Hals Stallburschen würde sich routinemäßig um die Tiere gekümmert haben, oder einer der jungen Gaukler.
    Die Gaukler. Natürlich. Dort musste Tovin sein.
    Rani flog beinahe über den Hof.
    Die Hitze schimmerte von dem Übungsplatz ab, als sie die Ansammlung von Gebäuden betrat, welche die Gaukler beherbergten. Sie sah sich um und bemerkte, dass zwei junge Akrobaten ihre Nummer übten, auf mit Heu ausgestopfte Polster fielen, während sie eine Reihe von Griffen ausprobierten. Kinder saßen im Halbkreis um eine halb blinde Frau herum und sahen zu, während die alte Dame ihnen zeigte, wie man bunte Kostüme nähte. Eine weitere Frau schritt auf einer Holzbühne auf und ab, gestikulierte mit den Händen in Richtung abwesender Gefährten, murmelte leise Zeilen.
    Alle schauten auf, als Rani in den Hof stolperte, und einige wenige Gaukler riefen ihr Grüße zu. Jene freundlichen Worte gefroren jedoch auf den Lippen, als die Menschen Ranis Gesicht erblickten. Sie musste verboten aussehen. Sie wusste, dass ihre Augen anschwollen, wenn sie weinte, und ausreichend viele Leute hatten ihr gesagt, dass sie bereits nach der Krankheit, welche auch immer sie in Brianta niedergestreckt hatte, schrecklich aussah.
    Gift? Hal war sich seiner Beurteilung anscheinend so sicher gewesen. Das passte, dachte sie und schluckte einen Bleigeschmack hinunter. Nein. Sie würde jetzt nicht darüber nachdenken. Würde sich nicht mit den Glasmalern beschäftigen, mit Meister Parion. Sie hatte ihre Prüfung beendet, und jetzt musste sie warten.
    Die Gaukler. Damit musste sie jetzt umgehen. Mit Tovin.
    Sie erkannte, dass sie die Schultern bis zu den Ohren hochzog, und zwang sich, beruhigend durchzuatmen. Noch einmal. Noch einmal.
    So. Nun war sie bereit, ihn zu sehen.
    Sie überquerte den Hof zum Lagerschuppen, zu dem Gebäude, das die Kostüme und Glaspaneele und all die anderen Reichtümer der Truppe beherbergte. Als sie eine Hand auf den Eisenriegel legte, hörte sie drinnen eine Stimme. Ein tiefes Poltern, der sichere Tonfall, von dem sie wusste, dass er zu Tovin gehörte. Ihre Kehle verengte sich, und sie musste sich ermahnen, erneut zu atmen.
    Und dann war da eine höhere Stimme. Der Tonfall einer Frau, der freundlich und fest klang. Flarissa, Tovins Mutter. Die Frau, die Rani vor Jahren bei der Truppe willkommen geheißen

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